Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Streitwertfestsetzung nach Erledigungserklärung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Verfahren muss beendet sein, bevor der Streitwert endgültig festgesetzt werden kann.

2. Ein Sozialgerichtsverfahren wird nicht durch einseitige Erledigungserklärung beendet.

3. Eine Erledigungserklärung kann auch konkludent erfolgen.

4. Ausschlaggebend für die Festsetzung eines Streitwerts ist der Streitwert zu Beginn der jeweiligen Instanz.

5. Für die Streitwertbeschwerde ist das Kosteninteresse ausschlaggebend zur Bestimmung der Beschwer.

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg abgeändert und der Streitwert für das Verfahren S 17 BA 76/18 festgesetzt auf 44.879,57 Euro.

 

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 09.03.2021 hat das Sozialgericht Augsburg den Streitwert für das Klageverfahren S 17 BA 76/18 auf 39.981,57 Euro festgesetzt.

Bei Klageerhebung hatte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 19.09.2018 - eingegangen bei Gericht am 24.09.2018 - beantragt, die von der Beklagten mit Bescheid vom 13.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2018 erhobene Nachforderung zur Sozialversicherung iHv insgesamt 115.902,22 Euro aufzuheben, soweit Nachforderungen iHv mehr als 71.022,67 Euro erhoben würden; ein Betrag iHv 44.879,55 Euro werde von der Beklagten zu Unrecht geltend gemacht.

In der mündlichen Verhandlung vom 02.03.2021 erklärte die Klägerseite die Klage für teilweise erledigt, soweit es nicht um eine Nachforderung iHv 39.981,57 Euro geht. Von Beklagtenseite erfolgte hierauf keine Reaktion. Die Klägerseite beantragte anschließend in der mündlichen Verhandlung, die Nachforderung um 39.981,57 Euro zu reduzieren.

Mit Urteil vom 02.03.2021 gab das Sozialgericht der Klage statt, soweit von der Beklagten mehr als 75.920,65 Euro gefordert wurden. Die Klägerseite habe die Kosten des Verfahrens zu neun Zehntel, die Beklagtenseite zu einem Zehntel zu tragen.

Gegen den Streitwertbeschluss des Sozialgerichts vom 09.03.2021 hat die Klägerseite Beschwerde eingelegt. Der Streitwert bestimme sich nach dem ursprünglichen Klageantrag, mit dem eine Reduktion der Nachforderung um 44.879,55 Euro verfolgt worden sei.

Die Beklagte hält auch einen Streitwert von 44.879,55 für zutreffend.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Senat entscheidet über die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 30.7.2020 durch den zuständigen Berichterstatter als Einzelrichter gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 13. Auflage 2020, § 155 Rz 9d). Für eine Übertragung des Verfahrens auf den Senat nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG besteht kein Anlass, da die Sache weder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, noch die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Die Beschwerde ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 € übersteigt, § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Nach § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG findet gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG), die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 Euro übersteigt. Dabei ist nicht auf die streitige Höhe des Streitwertes abzustellen, sondern auf die sich daraus ergebende Höhendifferenz der Gerichts- und Anwaltsgebühren (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. Januar 2015 - L 4 R 37/14 B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. August 2016 - L 6 SB 2664/16 B).

Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Dabei kann dahinstehen, ob es der Zulässigkeit einer Beschwerde entgegenstehen würde, wenn der erstinstanzliche Rechtsstreit noch nicht abgeschlossen wäre. Denn hier ist der erstinstanzliche Rechtsstreit im Ergebnis abgeschlossen (vgl LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 06. Juli 2018 - L 7 BA 1871/18 B). Die Klägerseite hat den Rechtsstreit am 02.03.2021 teilweise für erledigt erklärt. Anders als in den gerichtskostenfreien Verfahren führt in den nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG gerichtskostenpflichtigen Verfahren eine einseitige Erledigungserklärung allerdings nicht zur Beendigung des Rechtsstreites (LSG Bayern, Beschluss vom 9. Januar 2017 - L 1 SV 19/16 B Rz 14; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Februar 2016 - L 8 R 29/15 B Rz 22). Die (einseitige) Erledigungserklärung eines Klägers führt in gerichtskostenpflichtigen Verfahren nur dann zur Erledigung des Rechtsstreites, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers (zumindest konkludent vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 8. Juli 2016 - L 4 R 3450/15 Rz 29) zustimmt, also eine beidseitige Erledigungserklärung vorliegt, oder der Erledigungserklärung nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes des Klägers widerspr...

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