Entscheidungsstichwort (Thema)

PKH-Antrag und Wiedereinsetzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ob ein PKH-Antrag überhaupt geeignet ist, eine Wiedereinsetzung in gesetzliche Fristen in gerichtskostenfreien erst- und zweitinstanzlichen, also nicht anwaltspflichtigen, sozialgerichtlichen Verfahren zu begründen, ist fraglich (vgl. Bayer. LSG, Urteil vom 07.02.2024, L 2 U 184/23 ;OVG Lüneburg, Beschluss vom 25.02.2008, 4 PA 390/07 ;OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.04.2023, OVG 6 M 25/23 ).

2. Voraussetzung dafür, dass bei der Beantragung von PKH für ein Verfahren der Anhörungsrüge ein unverschuldeter Hinderungsgrund, das Darlegungserfordernis fristgerecht zu erfüllen, gegeben ist, ist jedenfalls, dass der PKH-Antrag innerhalb der Darlegungsfrist vollständig und damit verbescheidungsfähig gestellt worden ist.

 

Tenor

I. Die Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 06.05.2024, L 2 U 116/24 B ER, wird als unzulässig verworfen.

II. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Anhörungsrüge wird abgelehnt.

III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 06.05.2024, L 2 U 116/24 B ER, wies der Senat die Beschwerde der im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretenen Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) München vom 26.03.2024 zurück, mit dem es das SG abgelehnt hatte, die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin nach wiederholtem Antrag der Antragstellerin zu verpflichten, Leistungen zur Teilhabe im Wege des Arbeitgebermodells (persönliches Budget i.S.d.§ 29 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch ) anstelle im Dienstleistungsmodell zu erbringen.

Der Beschluss vom 06.05.2024 wurde der im Beschwerdeverfahren unvertretenen Antragstellerin mit Postzustellungsurkunde am 08.05.2024 zugestellt. Mit gerichtlichem Schreiben vom 21.05.2024 wurde der vorgenannte Beschluss der Antragstellerin, die eine starke Sehbehinderung angibt, nach gerichtsextern in Auftrag gegebener Übertragung auf Audio-CD auch in Form einer Audio-CD übermittelt.

Am 21.05.2024 hat sich der Bevollmächtigte der Antragstellerin unter Vorlage einer Vollmacht der Antragstellerin vom selben Tag bestellt. Die Antragstellerin habe - so der Bevollmächtigte - am 25.04.2024 gegen einen Beschluss Beschwerde eingelegt. Auf einen Anruf der Antragstellerin beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) sei ihr telefonisch mitgeteilt worden, dass ihre Beschwerde abgelehnt worden sei. "Etwas Schriftliches" - so der Bevollmächtigte - "hat die Antragstellerin nach eigenen Angaben nicht erhalten." Die Antragstellerin sei in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Sie habe keine Möglichkeit gehabt, sich weiter zu äußern. Die Antragstellerin habe zudem bereits darauf hingewiesen, dass sie auf Audiodateien angewiesen sei, da sie stark sehbehindert sei. Diese habe sie nicht erhalten. Weiter hat der Bevollmächtigte beantragt, der Antragstellerin Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen, ihn beizuordnen und ihm Akteneinsicht zu gewähren.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 28.05.2024 ist dem Bevollmächtigten Akteneinsicht gewährt worden.

Am 12.06.2024 hat der Bevollmächtigte die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin samt Anlagen vorgelegt.

II.

Die Anhörungsrüge ist zwar fristgerecht erhoben worden (s. unten Ziff. 3), aber wegen Nichterfüllung des Darlegungserfordernisses (s. unten Ziff. 4) als unzulässig zu verwerfen. Eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 178a Abs. 2 Satz 1 SGG wegen der Erfüllung des Darlegungserfordernisses kommt nicht in Betracht (s. unten Ziff. 5). Der Antrag auf Bewilligung von PKH für das Verfahren der Anhörungsrüge ist abzulehnen, weil die Frist für die Erfüllung des Darlegungserfordernisses ohne entsprechende Darlegung abgelaufen ist und die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorliegen und somit keine Aussicht auf Erfolg der Anhörungsrüge besteht (s. unten Ziff. 5).

1. Anhörungsrüge - allgemein

Gemäß § 178a Abs. 2 Satz 5 SGG muss eine Anhörungsrüge die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG genannten Voraussetzungen ("das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat") darlegen; zu erheben ist sie innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des§ 178a Abs. 2 Satz 1 SGG .

Die Zwei-Wochen-Frist beginnt mit der Kenntnis von der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, wobei es auf die Kenntnis der die Gehörsverletzung begründenden Tatsachen ankommt (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Beschlüsse vom 09.09.2010, B 11 AL 4/10 C , und vom 19.10.2011, B 6 KA 5/11 C ).

Die Erfüllung des Darlegungserfordernisses gemäߧ 178a Abs. 2 Satz 5 SGG , wonach die Anhörungsrüge die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG genannten Voraussetzungen darlegen muss, ist wegen § 178a Abs. 4 Satz 1 SGG Zulässigkeitsvoraussetzung (vgl.BSG, Beschluss vom 07.04.2...

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