Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Anordnung. Anordnungsgrund. Besonderer Nachholbedarf. Streitgegenstand. Bewilligungsabschnitt. Unabweisbarer Bedarf. Versorgung mit Arzneimitteln

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Liegt dem Eilverfahren ein Hauptsacheverfahren zugrunde, so ist der Zeitraum, für den der Antragsteller im Eilverfahren Leistungen beanspruchen kann, auf den im Hauptsacheverfahren streitigen Zeitraum begrenzt.

2. Maßgeblich für die Prüfung des Anordnungsgrunds ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Das Gericht kann den Antragsgegner i.d.R. nicht zu Leistungen für die Zeit vor der gerichtlichen Entscheidung verpflichten.

 

Normenkette

SGG § 86b Abs. 2 S. 2, § 96; SGB II § 21 Abs. 6, § 41 Abs. 1 S. 4; SGB V § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 16.10.2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Hinblick auf Kosten für das Medikament Dexamfetaminsulfat.

Der Antragsteller (ASt) leidet unter einer behandlungsbedürftigen Aufmerksamkeitsstörung und einem Erschöpfungszustand. Es wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt. Der Antragsgegner (Ag) bewilligte mit Bescheid vom 02.03.2012 idF des Änderungsbescheides vom 12.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2012 Alg II für die Zeit vom 01.02.2012 bis 31.07.2012. Einen Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hinsichtlich dieses Zeitraums in Bezug auf die Kosten der Unterkunft und Heizung lehnte der Ag mit Bescheid vom 25.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2012 ab. Über die dagegen beim Sozialgericht Würzburg (SG) erhobene Klage (Az: S 9 AS 508/12) ist bislang nicht entschieden.

Die AOK Bayern lehnte mit Bescheid vom 16.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.06.2012 eine Kostenerstattung für das mit Privatrezept verordnete Arzneimittel Dexamfetaminsulfat unter Verweis auf das für sie geltende Sachleistungsprinzip ab. Eine Entscheidung darüber, ob ein solches Medikament zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden könne, treffe nicht die Krankenkasse sondern der behandelnde Arzt, der sich gegebenenfalls bei seiner Kassenärztlichen Vereinigung entsprechend beraten lassen könne. Über die vom ASt dagegen beim SG erhobene Klage (Az: S 11 KR 316/12) ist bislang nicht entschieden.

Am 23.05.2012 beantragte der ASt beim Ag die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs im Umfange von monatlich ca. 80 € für die Behandlung seiner Erkrankung mit Dexamfetaminsulfat. Die zuvor durchgeführte Behandlung mit Methylphenidat habe unerwünschte Nebenwirkungen gehabt. Es handele sich um eine Off-Label Verordnung, deren Kosten er selbst tragen müsse. Den Antrag lehnte der Ag mit Bescheid vom 11.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2012 ab. Als Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung habe der ASt Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn dies notwendig sei, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Davon sei auch die Versorgung mit Arzneimitteln erfasst. Dementsprechend sei eine Kostenübernahme alleine mit der zuständigen Krankenkasse zu klären. Über die dagegen beim SG erhobene Klage (Az: S 9 AS 591/12) ist bislang ebenfalls nicht entschieden.

Mit Bescheid vom 09.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.08.2012 bewilligte der Ag Alg II für die Zeit vom 01.08.2012 bis 31.01.2013 ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für die medikamentöse Behandlung des ASt. Über die dagegen beim Sozialgericht Würzburg (SG) erhobene Klage (Az: S 9 AS 546/12) ist bislang nicht entschieden.

Mit Schreiben vom 05.12.2012 stellte der ASt erneut einen "Antrag auf Mehrbedarf" beim Ag.

Im Rahmen seiner Klagebegründung im Verfahren S 9 AS 591/12 hat der ASt am 05.10.2012 u.a. ausgeführt, eine "vorläufige Zahlung des benötigten Mehrbedarf" tue Not. Aufgrund mehrerer monatlicher Belastungen in Höhe von insgesamt 172,40 € sei sein Existenzminimum nicht mehr gesichert. Das SG hat die Ausführungen als Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in Bezug auf einen Mehrbedarf in Höhe von 80 € monatlich für die Beschaffung des Medikaments Dexamfetaminsulfat ausgelegt und diesen mit Beschluss vom 16.10.2012 abgelehnt. Es fehle ein Anordnungsanspruch, da der ASt als Versicherter Anspruch auf Krankenbehandlung gegen seine Krankenversicherung habe, wenn diese notwendig sei, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Hiervon sei auch die Versorgung mit Arzneimitteln, insbesondere den verschreibungspflichtigen, erfasst. Damit sei eine grundrechtsrelevante Sicherung einer ausreichenden medizinischen Versorgung gewährleistet, so dass ergänzende Leistungen der Grundsicherung ...

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