Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Beschwerderecht der Staatskasse gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Antragsänderung im Rechtsmittelverfahren
Leitsatz (amtlich)
I. Das Beschwerderecht der Staatskasse gemäß § 127 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist darauf beschränkt, eine fälschlich unterlassene Zahlungsanordnung gemäß § 120 ZPO nachträglich zu erreichen.
II. Eine zulässige Klage- bzw. Antragsänderung setzt ein zuvor zulässiges Rechtsmittel voraus.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 22. September 2015 wird als unzulässig verworfen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in einem sozialgerichtlichen Eilverfahren.
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin stellte über ihre anwaltliche Prozessvertreterin am 04.08.2015 beim Sozialgericht Regensburg den Antrag, den Antragsgegner im Verfahren S 4 AS 357/15 ER zu verpflichten, vorläufig einen Betrag von 679 € zu zahlen. Gleichzeitig stellte sie Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe. In der dazu vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gab sie eine Rechtsschutzversicherung an, die Verfahren im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende allerdings nicht umfasst. Die Frage nach einer Mitgliedschaft in einem Verein oder einer Organisation (z.B. Sozialverband), der einen Prozessbevollmächtigten stellen könnte, verneinte sie. Ausweislich eines der Erklärung beigefügten Kontoauszugs hatte sie am 06.07.2015 an den VDK Bayern 18 € überwiesen.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wurde am 17.08.2015 für erledigt erklärt.
Das Sozialgericht Regensburg hat mit Beschluss vom 22.09.2015 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt, der den Beteiligten jeweils am 24.09.2015 zugestellt worden ist.
Am 13.10.2015 hat der Beschwerdeführer (Staatskasse) gegen den Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss vom 22.09.2015 Beschwerde nach § 127 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und geltend gemacht, dass der Beschluss aufzuheben sei, weil Prozesskostenhilfe nicht zustehe. Die Antragstellerin verfüge offensichtlich über ein nach § 115 Abs. 3 ZPO einzusetzendes Vermögen. Aus dem Kontoauszug vom 27.07.2015 gehe die Abbuchung des VdK-Mitgliedbeitrags von 18 € am 06.07.2015 hervor. Die Mitgliedschaft im VdK beinhalte als ganz wesentliches Element den kostenlosen gerichtlichen Rechtsschutz. Der Anspruch auf die entsprechende Vertretung habe als eine verwertbare Forderung zu gelten, die es unmöglich mache, ersatzweise die Gemeinschaft der Steuerzahler für die Prozessvertretung finanziell in Anspruch zu nehmen. Die Rechtsprechung des Hessischen Landesarbeitsgerichts mit Beschluss vom 28.06.2012 (16 Ta 206/12 - Rechtsschutzgewährung durch Gewerkschaft) sei zwanglos auf die Vertretung durch Behindertenverbände zu übertragen. Zitiert bzw. vorgelegt worden sind Entscheidungen verschiedener Gerichte, z.B. ein Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21.07.2011 (L 3 U 172/10 B PKH), mit dem in einer vergleichbaren Konstellation der Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss des Sozialgerichts aufgehoben worden war, ein Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 05.11.2012 (3 AZB 23/12) mit dem Leitsatz, dass die Möglichkeit eines Arbeitnehmers, zur Durchführung eines Arbeitsgerichtsprozesses gewerkschaftlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, Vermögen im Sinn des § 115 ZPO darstellt, und ein Beschluss des OLG Celle vom 13.03.2015 (4 W 15/15) zur Beschwerdebefugnis der Staatskasse bei fehlendem Verweis auf vorrangige Familienunterhaltsansprüche.
Am 12.02.2016 hat der Beschwerdeführer hilfsweise beantragt, eine Einmalzahlung aus dem Vermögen der Antragstellerin in Höhe der anfallenden Anwaltskosten anzuordnen. Zumutbar sei der Einsatz des Vermögens im Sinn des § 115 Abs. 3 ZPO, nämlich der Anspruch auf kostenfreien Rechtsschutz durch den VdK.
Die Antragstellerin hat beantragt, die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen. Begehrt werde die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung. Die Beschwerde der Staatskasse könne aber gemäß § 127 Abs. 3 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die Partei nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten habe. Es könne auch keine Einmalzahlung angeordnet werden, weil kein einsetzbares Vermögen bestehe. Das Verfahren, um das es hier gehe, sei abgeschlossen, so dass es nicht möglich sei, dass Rechtsschutz durch den VdK noch gewährt werden könne. Die Rechtsprechung zum Prozesskostenvorschuss gegen Familienangehörige sei auf den hier vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil die Antragstellerin nicht über einen Prozesskostenvorschussanspruch verfüge.
Der Senat hat die Beteiligten schriftlich darauf hingewiesen, dass es nicht Gegenstand einer zulässigen Beschwerde gemäß § 127 Abs. 3 SGG sein könne, wenn geltend gemacht werde, dass Prozesskostenhilfe nicht hätte bewilligt werden dürfen. Bei dem Hilfsantrag handele es sich um einen...