Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Gebrauchsfertigmachung von Arzneimitteln (hier: Ribofolin)
Leitsatz (amtlich)
1. Die Gebrauchsfertigmachung von Arzneimitteln (hier Ribofolin) durch den Vertragsarzt zur Anwendung an seinen Patienten ist nicht ausschließlich dem pharmazeutischen Bereich vorbehalten, sondern von der vertragsärztlichen Leistungspflicht eines Vertragsarztes als notwendige Vorbereitungshandlung der ärztlichen Behandlung mit umfasst.
2. Die Verordnung als von der Apotheke herzustellende Rezeptur ist unwirtschaftlich, weil die Herstellung von Folinsäure-Infusionslösungen üblicherweise Teil der vertragsärztlichen Tätigkeit und der Bezug der dafür erforderlichen Bestandteile als Sprechstundenbedarf zulässig ist.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.10.2016, S 21 KA 665/13, wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2).
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.173,73 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Arzneimittelregresses im Quartal 2/2005. Der Kläger war im streitgegenständlichen Quartal als Internist mit dem Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie zur vertragsärztlichen Versorgung in W-Stadt zugelassen.
Mit Prüfantrag vom 31.3.2006 beantragte die Beigeladene zu 2) die Prüfung der ärztlichen Verordnungsweise in Einzelfällen für die beigefügten Verordnungen von Ribofolin in NaCl und machte einen Schaden in Höhe von 2.287,21 EUR geltend. Der Kläger habe die Folinsäuremischungen nicht als Rezepturen von der Apotheke anfordern dürfen. Wirtschaftlich wäre vielmehr gewesen, Ribofolin als Fertigarzneimittel über den Sprechstundenbedarf zu beziehen und eigenständig in eine Kochsalzlösung einzubringen.
Gegen den Prüfbescheid vom 5.3.2007, mit dem der Prüfungsausschuss eine Beratung ausgesprochen hatte, legten sowohl die Beigeladene zu 2) als auch der Kläger Widerspruch ein. Der Kläger führte aus, dass Folinsäure zwar untoxisch sei. Er habe die Folinsäuremischungen aber bei schwerkranken Onkologie-Patienten mit meist deutlich reduziertem Allgemeinzustand und Suppression der Körperabwehr eingesetzt. Die Zubereitung müsse aseptisch unter Verwendung einer Laminar-Airflow-Werkbank hergestellt werden, um Kontaminationen zu vermeiden. Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 6.4.2009 (Beschluss vom 17.12.2008) zurück, gab dem Widerspruch der Beigeladenen teilweise statt und setzte einen Regress in Höhe von 2.173,73 EUR fest. Er bestätigte die Beurteilung des Prüfungsausschusses, dass die Verordnung von Folinsäure als Rezeptur unwirtschaftlich sei. Das Gebrauchsfertigmachen nichttoxischer Begleitmedikation in der Praxis könne dem Arzt prinzipiell zugemutet werden. Bei der parenteralen Anwendung von Arzneimittel sei die Sterilität zwingende Voraussetzung. Dies gelte nicht nur für immunsupprimierte Patienten, sondern auch für Patienten mit intaktem Immunsystem. Verschiedene Grade von Sterilität gebe es nicht. Bei den streitigen Arzneimitteln handele es sich um Fertigarzneimittel, die vom pharmazeutischen Hersteller steril in Verkehr gebracht würden und in der Handelsform nicht direkt anwendbar seien. Sie müssten erst durch Verdünnen und ggf. Abtrennen einer Teilmenge in anwendbare Form gebracht werden. Hierfür sei eine aseptische Arbeitsweise erforderlich, nicht aber ein besonderer Schutz des Personals. Die entsprechenden Fähigkeiten seien originärer Bestandteil des ärztlichen Berufsbildes. Dazu gehöre auch die aseptische Zubereitung steriler Fertigarzneimittel und deren Anwendung am Patienten. Dies werde von den Ärzten der meisten Fachgruppen routinemäßig praktiziert. Die als Apothekenrezeptur verordneten nicht-toxischen Arzneimittel hätten als Fertigarzneimittel im Rahmen des Sprechstundenbedarfs verordnet werden müssen und die Zubereitung vom Kläger selbst durchgeführt werden müssen. Die durch die Beauftragung der Apotheke entstandenen Mehrkosten seien unwirtschaftliche Mehraufwendungen. Zu deren Berechnung seien die tatsächlich verursachten Kosten den Kosten der wirtschaftlichen Alternative gegenüber gestellt worden. Bei den Vergleichskosten für die wirtschaftliche Alternative des Bezuges über Sprechstundenbedarf seien Apotheken- und Herstellerrabatt abgezogen und Kosten für die Trägerlösung NaCl in Höhe von 2,50 EUR pauschal zugesetzt worden. Dem Bescheid beigefügt war eine ausführliche Berechnung. Eine Beratung sei nach Auffassung des Beklagten nicht ausreichend, weil der Kläger bereits mit der Antragsbegründung der Beigeladenen zu 2) für die Quartale 3/2000 und 4/2000 darüber informiert worden sei, dass die Verordnung untoxischer Arzneimittel als Rezeptur unwirtschaftlich sei.
Die hiergegen vom Kläger erhobene Klage zum Sozialgericht München wurde zunächst auf Antrag de...