Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung. Mehrkosten. Verordnung von Folinsäure als Rezeptur
Orientierungssatz
Soweit ein Vertragsarzt grundsätzlich gehalten ist, ein für die Behandlung seines Patienten benötigtes Medikament als Fertigarzneimittel zu verordnen und selbst für die Anwendung aufzubereiten, müssen die Prüfgremien auf die mit der Verordnung einer Rezeptur (hier: Folinsäure) verbundenen Mehrkosten mit einem Regress reagieren (vgl BSG vom 17.2.2016 - B 6 KA 3/15 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 54 RdNr 43).
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist der im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung der ärztlichen Verordnungsweise festgesetzte Regress in Höhe vom 2.173,73 € im Quartal 2/2005 für die Verordnung von Folinsäure als Rezeptur.
Der Kläger war als Internist mit dem Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Mit dem am 6.4.2006 eingegangenen Prüfantrag beantragte die AOK Bayern (Beigeladene zu 2)) die Prüfung der ärztlichen Verordnungsweise in Einzelfällen für die beigefügten Verordnungen von Ribofolin in NaCl und machte einen Schaden in Höhe von 2.287,21 € geltend. Die Verordnung von Rezepturen sei unwirtschaftlich. Der Kläger hätte Ribofolin als Fertigarzneimittel über den Sprechstundenbedarf beziehen und eigenständig in Kochsalzlösung einbringen können.
Der Prüfungsausschuss Ärzte Bayern informierte den Kläger mit Schreiben vom 10.4.2006 über den gestellten Prüfantrag und gab Gelegenheit zur Stellungnahme.
Mit Prüfbescheid vom 5.3.2007 (Beschluss vom 20.12.2006) setzte der Prüfungsausschuss Ärzte Bayern eine Beratung fest. Bei Folinsäure handele es sich nicht um eine zytostatische Substanz. Es sei ein Vitamin, das keine toxischen Eigenschaften besitze und für dessen Zubereitung nicht die besonderen Bedingungen eine Laminarairflows erforderlich wären. Die Fertigstellung der gebrauchsfertigen Infusionslösungen könne daher in der Arztpraxis erfolgen. Die patientenindividuelle Dosierung könne unter Verwendung der handelsüblichen Fertigarzneimittel sichergestellt werden. Die Zubereitung in der Arztpraxis sei die wirtschaftlichere Alternative und dem Vertragsarzt auch zumutbar.
Gegen den Prüfbescheid vom 5.3.2007 legten sowohl die Beigeladene zu 2) als auch der Kläger Widerspruch ein.
Die Beigeladene zu 2) beantragte, einen Regress in der beantragten Höhe festzusetzen. Die Unwirtschaftlichkeit der Verordnungen werde vom Prüfungsausschuss bestätigt. Der Kläger sei bereits mit den Prüfanträgen für die Quartale 3/2000 und 4/2000 wegen unwirtschaftlicher Verordnung von Biphophonaten und Liponsäure darauf hingewiesen worden, dass die Verordnung untoxischer Arzneimittel als Rezeptur unwirtschaftlich sei. Die damaligen Forderungen der Beigeladenen zu 2) habe der Kläger damals sofort anerkannt. Eine Beratung habe damit bereits stattgefunden.
Der Kläger führte mit dem Schreiben vom 10.4.2007 aus, dass Folinsäure zwar untoxisch sei. Es sei jedoch bei schwerkranken Onkologie-Patienten mit meist deutlich reduziertem Allgemeinzustand und Supression der Körperabwehr eingesetzt worden. Die Patienten seien hochgradig infektionsgefährdet gewesen. Folinsäure sei in bis zu zwei Stunden dauernden Infusionen verabreicht worden. Die Zubereitung müsse aseptisch unter Verwendung einer Laminar-Airflow-Werkbank hergestellt werden, um Kontaminationen zu vermeiden.
Der Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 6.4.2009 (Beschluss vom 17.12.2008) den Widerspruch des Klägers zurück, gab dem Widerspruch der Beigeladenen teilweise statt und setzte einen Regress in Höhe von 2.173,73 € fest. Er bestätigte die Beurteilung des Prüfungsausschusses, dass die Verordnung von Folinsäure als Rezeptur unwirtschaftlich sei. Das Gebrauchsfertigmachen nichttoxischer Begleitmedikation in der Praxis könne dem Arzt prinzipiell zugemutet werden. Bei der parenteralen Anwendung von Arzneimittel sei die Sterilität zwingende Voraussetzung. Dies gelte nicht nur für immunsupprimierte Patienten, sondern auch für Patienten mit intaktem Immunsystem. Verschiedene Grade von Sterilität gebe es nicht. Bei den streitigen Arzneimitteln handele es sich um Fertigarzneimittel, die vom pharmazeutischen Hersteller steril in Verkehr gebracht würden und in der Handelsform nicht direkt anwendbar seien. Sie müssten erst durch Verdünnen und ggf. Abtrennen einer Teilmenge in anwendbare Form gebracht werden. Hierfür sei eine aseptische Arbeitsweise erforderlich, nicht aber ein besonderer Schutz des Personals. Die entsprechenden Fähigkeiten seien originärer Bestandteil des ärztlichen Berufsbildes. Dazu gehöre auch die aseptische Zubereitung steriler Fertigarzneimittel und deren Anwendung am Patienten. Dies werde von den Ärzten der meisten Fachgruppen routinemäßig praktiziert. Die als Apothekenrezeptur verordneten nicht-toxischen Arzneimittel hätten als Fertigarzneimittel im Rahmen des Sprechstundenbedarfs verordnet werden müssen und die Zubereitung vom Kläger selbst dur...