Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Einkommensberechnung. Entgeltwegfall im Bemessungszeitraum. Betreuung eines erkrankten schwerbehinderten Kindes. keine Verschiebung des Bemessungszeitraums. keine Berücksichtigung von gezahltem Verdienstausfall und Kinderkrankengeld als Einkommensersatzleistungen. keine Möglichkeit einer Analogie. Verfassungsrecht. Gleichheitssatz. Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers
Orientierungssatz
1. Die Tatbestände zur Verschiebung des Bemessungszeitraums nach § 2b Abs 1 S 2 BEEG sind abschließend.
2. Nach allen Regeln juristischer Auslegung ist es unmöglich, die Krankheit eines älteren (hier: aufgrund seiner Schwerbehinderung häufig erkrankenden) Kindes unter einen der vier Tatbestände zu subsumieren, welche de lege lata eine Verlagerung des Bemessungszeitraums bewirken.
3. Entgeltersatzleistungen, wie der von der gesetzlichen Krankenkasse gezahlte (steuerfreie) Verdienstausfall nach § 11 Abs 3 SGB 5 oder das (steuerfreie) Kinderkrankengeld nach § 45 SGB 5, gehören nicht zu den nach § 2 Abs 1 S 3 BEEG bemessungsrelevanten Einkünften (siehe auch BSG vom 17.2.2011 - B 10 EG 20/09 R = SozR 4-7837 § 2 Nr 8)
4. Der Nachteil für die Höhe des Elterngelds zulasten des betreuenden Elterngeldberechtigten kann mangels Regelungslücke auch nicht durch eine analoge Anwendung einer der Tatbestände des § 2b Abs 1 S 2 BEEG (zur Verschiebung des Bemessungszeitraums) oder von § 2 Abs 1 S 3 BEEG (im Hinblick auf die Berücksichtigung von Kinderkrankengeld) verhindert werden.
5. Dass das Gesetz keine Regelung enthält, wonach Kalendermonate, die mit Verdienstausfall belegt sind, der aufgrund der Krankheit eines älteren Kindes entstanden ist, nicht zum Bemessungszeitraum zählen, verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Insoweit bezieht sich der Senat voll und ganz auf die vorhandene ausführliche BSG-Rechtsprechung zu sozialrechtlichen Entgeltersatzleistungen: BSG vom 17.2.2011 - B 10 EG 20/09 R, aaO = juris RdNr 34 (Krankengeld), vom 17.2.2011 - B 10 EG 21/09 R = juris RdNr 33 ff (Arbeitslosengeld), vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R = ZFSH/SGB 2012, 24 = juris RdNr 26 ff (Verletztengeld) und vom 21.2.2013 - B 10 EG 12/12 R = SozR 4-7837 § 2 Nr 19 = juris RdNr 71 ff (Insolvenzgeld).
6. Wenn der Staat auch nur kleinste Verdienstausfälle von berufstätigen Elternteilen kompensieren würde, bei denjenigen aber, die ganz für ihre Kinder da sein wollen, sich zu keinerlei Kompensation veranlasst sähe, würde damit ein Erziehungsmodell offen diskriminiert, welches unbestreitbar zumindest bis zur Vollendung des dritten Lebensjahrs die größten Vorteile für das Kindeswohl bietet.
7. Bei einem Höhenstreit im Elterngeldrecht ist der Streitgegenstand grundsätzlich nicht auf ein einzelnes Berechnungselement beschränkt. Vielmehr prüft das Gericht innerhalb der Grenzen des klägerischen Antrags unter allen tatsächlichen und rechtlichen Facetten, ob dem Kläger höhere Leistungen zustehen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 29. Januar 2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft das Begehren der Klägerin, für Betreuung und Erziehung ihrer Tochter E. A., geb. 00.00.2017, höheres Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) zu erhalten.
Die Klägerin hat ihren Wohnsitz seit jeher in Deutschland. Mit E.s Vater war sie im Elterngeld-Bezugszeitraum verheiratet und lebte mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt. Neben E. gehörte dem Haushalt der Familie A. auch das Kind B., geb. 00.00.2009, an. B. ist von Geburt an schwer gesundheitlich beeinträchtigt, in erster Linie durch eine Hirnschädigung mit Entwicklungsrückstand. Für ihn sind ein Grad der Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht von 100 sowie die Merkzeichen G, aG, B und H festgestellt. Von 2010 an erlitt B. zahlreiche Knochenfrakturen, teilweise durch Bagatelltraumata verursacht. So kam der Verdacht auf, er könnte an Osteogenesis Imperfekta (so genannte Glasknochenkrankheit) erkrankt sein. Dieser Verdacht hat sich aber bis heute nicht bestätigt. Erwiesen ist jedoch, dass B. aufgrund einer schlechten beziehungsweise veränderten Knochenstruktur und seiner Immobilität ein erhöhtes Risiko hat, Knochenfrakturen zu erleiden.
Vor E.s Geburt stand die Klägerin in einem Beschäftigungsverhältnis mit der D. GmbH (im Folgenden: GmbH). Nach eigener Darstellung betätigt sich die GmbH als Outsourcingpartner für hochwertige Kundendialoge (Callcenter). Die Klägerin übte eine Teilzeittätigkeit im Umfang von 30 Wochenstunden aus.
Im Zeitraum 28.06. bis 04.10.2017 erhielt die Klägerin von ihrer Krankenkasse Mutterschaftsgeld in Höhe von 13 EUR täglich. Parallel zahlte die GmbH einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 des Mutterschutzgesetzes.
Die Klägerin beantragte am 15.08.2017 (Eingang beim Beklagten) Elterngeld für die Erziehung und Betreuung von E. in deren ...