Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungen für Unterkunft und Heizung. Angemessenheit. Wohnraumgröße. Quadratmeterpreis. Schlüssiges Konzept. Wohnort. Landkreis. Kostensenkungsaufforderung. Prozesskostenhilfe. Hinreichende Erfolgsaussicht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Höhe des angemessenen Quadratmeterpreises nach § 22 Abs. 1 SGB II kommt es auf die Verhältnisse am Wohnort des Hilfebedürftigen sowie dessen näherer Umgebung an. Stellt der Grundsicherungsträger hingegen auf den gesamten Landkreis ab, ergibt sich hieraus kein schlüssiges Konzept.

2. Die sechsmonatige Schonfrist nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II beginnt erst mit der Aufforderung des Grundsicherungsträgers an den Hilfebedürftigen, seine Kosten für Unterkunft und Heizung zu senken.

 

Normenkette

SGB II § 22 Abs. 1; SGG § 73a; ZPO § 114

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 19. Juni 2008 aufgehoben.

Auf seinen Antrag vom 27.07.2006 wird dem Kläger mit Wirkung ab Antragstellung für das Verfahren vor dem Sozialgericht München (Az: S 13 AS 1159/06) Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt R. Hl, H.-Straße, M. beigeordnet.

Der Kläger hat keine Raten zu zahlen.

 

Gründe

I.

Der 1957 geborene Kläger und seine 1966 geborene Ehefrau mit ukrainischer Staatsangehörigkeit (verheiratet seit 17.05.2004), deren beiden 1989 und 1995 geborenen Söhne in der Ukraine wohnen und für die ihr das Sorgerecht mit Beschluss vom 30.03.2004 zuerkannt worden ist, leben gemeinsam in einer 85 Quadratmeter großen 3-Zimmer-Wohnung in A-Stadt a. Inn mit einer Kaltmiete in Höhe von € 460,- zuzüglich Betriebs- und Nebenkosten in Höhe von € 130,- monatlich.

Sie beziehen seit 20.12.2005 Arbeitslosengeld II. Die Beklagte bewilligte ihnen mit Bescheid vom 15.02.2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich € 1.520,08 (Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe von € 578,08). Gleichzeitig wies diese darauf hin, dass nur eine Warmmiete in Höhe von € 436,58 angemessen sei und daher ab dem 01.06.2005 nur noch Kosten in dieser Höhe übernommen werden könnten.

Mit Bescheid vom 02.06.2006 bewilligte die Beklagte daher für den Zeitraum vom 01.06.2006 bis 30.11.2006 nur noch Leistungen in Höhe von € 1.378,58 monatlich, weil die Kosten für Unterkunft und Heizung nur noch in Höhe von € 436,58 zu zahlen seien.

Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch wandte sich der Kläger gegen die Herabsetzung seiner Kosten der Unterkunft und Heizung. Die 3-Zimmer-Wohnung sei erforderlich, weil er und seine Ehefrau deren Sohn aus der Ukraine nachziehen lassen möchten. Bei einer kleineren Wohnung würde die Ausländerbehörde den Familiennachzug wegen Platzmangel verweigern. Er habe auch keine preiswertere Wohnung gefunden.

Dem Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.2006 insoweit abgeholfen, als die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung bis 31.07.2006 übernommen wurden. Denn für den Kläger sei erst mit Erhalt des Bescheides vom 15.02.2006 die Notwendigkeit der Kostenreduzierung ersichtlich gewesen. Im Übrigen wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen, weil nach den Bestimmungen des Landkreises A-Stadt für zwei Personen nur eine 65 Quadratmeter große Wohnung mit einer Kaltmiete in Höhe von € 292,50, Nebenkosten in Höhe von € 84,50 und Heizkosten in Höhe von € 59,58 (= 5/6 von € 71,50 wegen des Abzugs für Warmwasser), das heißt insgesamt in Höhe von € 436,58 angemessen sei. Der Kläger habe nicht dargelegt, welche Bemühungen er für eine Wohnungssuche bislang unternommen habe. Auch der beabsichtigte Zuzug des Sohnes der Ehefrau des Klägers stehe nicht entgegen. Denn nach den ausländerrechtlichen Bestimmungen sei ein Zuzug nur möglich, wenn eine Person dafür bürge, für den Lebensunterhalt des Sohnes aufzukommen. Da der Kläger und seine Ehefrau derzeit ohne eigenes Einkommen seien, käme hierfür nur eine Drittperson in Frage.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München wiederholte der Kläger im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trug er vor, dass die Einsparungen der Miete bei einer kleineren Wohnung in keinem angemessenen Verhältnis zu den Mehrkosten, wie etwa Renovierung, Kaution, Maklergebühren, Neuanschaffungen u.s.w., die dem Kläger bei einem Umzug entstehen würden, ständen. Er habe keine geeignete günstigere Wohnung gefunden wegen fehlender finanzieller Mittel für Maklergebühren sowie des überlaufenen Wohnungsmarktes.

Den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts Hl vom 27.07.2006, eingegangen beim Sozialgericht am gleichen Tag, lehnte das Sozialgericht mit Beschluss vom 19.06.2008 ab, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung des Klägers über den 31.07.2006 hinaus zu tragen. Denn die Wohnung des Klägers und seiner Ehefrau sei nicht angemessen im Sinn des § 22 Abs.1 Satz 1 SGB II. Abzustellen sei bei der Prüfung der Angemessenheit der Woh...

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