Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Teilanerkenntnis. fiktive Terminsgebühr trotz Einigungsgebühr
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorbemerkung 3 Abs 3 VV RVG (juris: RVG-VV) enthält die Legaldefinition der "Terminsgebühr" gemäß Nr 3106 VV RVG.
2. Der Anspruch auf die fiktive Terminsgebühr ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die vergleichsweise Bereinigung des Rechtsstreits eine Einigungsgebühr ausgelöst hat.
Tenor
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 16. Juni 2010 wird aufgehoben.
II. In Abänderung der Kostenfestsetzung vom 20. Mai 2010 wird unter Zuerkennung einer Terminsgebühr von 200 Euro die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung des Beschwerdeführers auf 424,43 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdeführer nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus der Staatskasse zusteht. Streitig ist die Terminsgebühr.
Im Klageverfahren am Sozialgericht Bayreuth S 8 KR 335/09 ging es um die Gewährung von Krankengeld. Mit Beschluss vom 19.01.2010 wurden dem Kläger Prozesskostenhilfe ab Klageerhebung bewilligt und der Beschwerdeführer beigeordnet. Das mit Schriftsatz der Beklagten vom 04.11.2009 unterbreitete Teilanerkenntnis nahm der Kläger am 09.02.2010 an und regte eine auch die Kosten umfassende gütliche Einigung des Rechtsstreits an. Am 23.03.2010 signalisierte die Beklagte dem Gericht gegenüber Bereitschaft zu einem Vergleichsabschluss und kündigte einen Schriftsatz des Klägers an. Am 26.03.2010 erklärte der Beschwerdeführer die Hauptsache für erledigt. Gleichzeitig übersandte er dem Gericht seinen an die Beklagte gerichteten Schriftsatz vom 23.03.2010 (Bestätigung eines Vergleichs mit genauem Wortlaut) sowie die Einverständniserklärung der Beklagten vom 24.03.2010. Im Kostenpunkt übernahm die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Klägers im Widerspruchsverfahren und ein Drittel der Kosten des Verfahrens vor dem Sozialgericht Bayreuth.
Der Beschwerdeführer stellte am 26.03.2010 Antrag auf Gebührenfestsetzung. Geltend machte er eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103 VV RVG: 170 Euro, eine Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG: 200 Euro und eine Einigungsgebühr gemäß Nr. 1005, 1000 VV RVG: 280 Euro (außerdem Pauschale 20 Euro, ergibt netto 670 Euro zzgl. 127,30 Euro Mehrwertsteuer, ergibt brutto 797,30 Euro; abzüglich Zahlung der Beklagten - ein Drittel - 265,77 Euro: 531,53 Euro). Mit Schreiben vom 01.04.2010 teilte der Beschwerdeführer dem Sozialgericht mit, dass die Einigungsgebühr versehentlich nicht in Höhe der Mittelgebühr angesetzt worden sei. Sie werde auf 190 Euro (Mittelgebühr) reduziert. In Höhe der Differenz zu dem Betrag von 280 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer werde der Vergütungsantrag zurückgenommen.
Die Kostenbeamtin setzte die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren am 20.05.2010 auf 186,43 Euro fest:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG |
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170,00 Euro |
Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV RVG |
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190,00 Euro |
Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
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20,00 Euro |
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380,00 Euro |
19% Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
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72,20 Euro |
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452,20 Euro |
abzüglich Zahlung der Beklagten |
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./. 265,77 Euro |
Gesamtbetrag |
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186,43 Euro |
Zur Begründung führte sie aus, dass die Verfahrensgebühr und die Einigungsgebühr antragsgemäß festzusetzen seien. Die Terminsgebühr müsste dagegen abgelehnt werden. Termine vor Gericht hätten nicht stattgefunden, die Voraussetzungen der Nr. 3106 Ziffern 1 bis 3 VV RVG würden ebenfalls nicht vorliegen. Für die Teilnahme an außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen sei der Antragsteller bereits mit der Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG entschädigt worden. Eine doppelte Entschädigung sei nicht möglich.
Der Beschwerdeführer hat am 07.06.2008 Erinnerung eingelegt. Die Terminsgebühr sei angefallen. Nach Vorbemerkung 3 Absatz 3 VV RVG falle die Terminsgebühr auch für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts an. Dieser Fall sei hier gegeben. Zwischen den Parteien hätten außergerichtliche Vergleichsverhandlungen stattgefunden. Insbesondere sei mehrfach telefoniert worden, u.a. am 11.03.2010. Im Zuge dieser Telefonate sei die dann getroffene Einigung abgestimmt worden.
Das Sozialgericht Bayreuth hat mit Beschluss vom 16.06.2010 die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.05.2010 als unbegründet zurückgewiesen. Soweit der Erinnerungsführer die Vorbemerkung 3 Absatz 3 zur VV RVG heranziehe, sei ihm darin zuzustimmen, dass auch die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen - auch im Wege von hier unstreitig geführten Telefonaten - auch ohne Beteiligung des Gerichts eine Terminsgebühr auslöse. Gemeint seien damit aber nur Besprechungen und Verhandlungen, die nicht zu einer Einigung geführt hätten und damit eine Einigungsgebühr nicht auslösen könnten. Dann solle wenigstens die...