Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hilfebedürftigkeit. Pflicht zur Vorlage von Kontoauszügen. Aufbewahrung in der Verwaltungsakte als rechtmäßige Datenspeicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Personen, die Leistungen nach dem SGB 2 beantragen, sind auf Aufforderung verpflichtet, dem Jobcenter Kontoauszüge für die letzten drei Monate vorzulegen.

2. Die Vorlage von Kontoauszügen zur Einsicht ist eine rechtmäßige Erhebung von Daten nach § 67a Abs 1 S 1 SGB 10.

3. Das Aufbewahren der Kontoauszüge in der Verwaltungsakte ist eine rechtmäßige Speicherung von Daten nach § 67c SGB 10. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Kontoauszüge anrechenbares Einkommen ausweisen.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 10. April 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren die Feststellung, dass sie im Rahmen eines Antrags auf Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld II nicht verpflichtet sind, Kontoauszüge vorzulegen oder diese dem Antragsgegner zu überlassen.

Die Antragsteller sind verheiratet und beziehen zusammen mit ihrer im Dezember 1995 geborenen Tochter laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Antragsgegner. Zuletzt wurde ihnen mit Bescheid vom 28.01.2014 Arbeitslosengeld II für die Zeit von 01.02.2014 bis 31.05.2014 bewilligt.

Die Antragsteller erhoben mit Schreiben vom 28.03.2014 zugleich Klage und den streitgegenständlichen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Es sei festzustellen und zu überprüfen, ob es rechtmäßig sei, bei jedem Weiterbewilligungsantrag lückenlose Kontoauszüge der letzten drei Monate verlange. Die Mitwirkungspflicht sei lediglich konstruiert und heble den Datenschutz aus.

Mit Beschluss vom 10.04.2014 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab. Eine abstrakte Überprüfung einer Verwaltungspraxis sei kein konkretes streitiges Rechtsverhältnis. Im Übrigen fehle es an einem Anordnungsanspruch, weil die Antragsteller gemäß der Rechtsprechung des BSG im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verpflichtet seien, Kontoauszüge der letzten drei Monate vorzulegen. Ein konkreter Verdacht auf Leistungsmissbrauch müsse nicht vorliegen. Schließlich fehle es auch an einem Anordnungsgrund im Sinne einer Eilbedürftigkeit.

Die Antragsteller haben am 18.04.2017 Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Es stelle sich die Frage, ob bei einem Weiterbewilligungsantrag die Kontoauszüge zur Einsichtnahme vorgelegt oder in Kopie oder Original abgegeben werden müssen.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts München vom 10.04.2014 aufzuheben und vorläufig festzustellen, dass die Antragsteller nicht verpflichtet sind, bei einem Antrag auf Weitergewährung von Arbeitslosengeld II ihre Kontoauszüge zur Einsichtnahme vorzulegen oder diese sogar zum Zweck der Aufbewahrung in der Verwaltungsakte abzugeben.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akte des Antragsgegners, die Akte des Sozialgerichts und die Akte des Beschwerdegerichts verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Sie erweist sich als unbegründet, weil das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt hat.

Zugunsten der Antragsteller wird angenommen, dass sie nicht für sich in Anspruch nehmen, losgelöst von ihren Leistungsanträgen eine Verwaltungspraxis des Antragsgegners auf den Prüfstand stellen zu können. Ein derartiges Recht stünde ihnen von vornherein nicht zu.

1. Die Antragsteller begehren im Eilverfahren die gerichtliche Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sind, anlässlich der bevorstehenden und den weiteren Bewilligungen ihre Kontoauszüge zur Einsicht vorzulegen, zumindest aber ihre Kontoauszüge nicht in Kopie oder Original zur Verwaltungsakte genommen werden dürfen. Es geht den Antragstellern nicht unmittelbar um die Gewährung von Arbeitslosengeld II, sondern um die Abwehr eines Eingriffs in die informationelle Selbstbestimmung durch schlichtes Verwaltungshandeln.

2. Weil aktuell noch keine Kontoauszüge angefordert wurden, begehren die Antragsteller damit vorbeugenden Rechtsschutz, der ein besonderes Rechtsschutzinteresse voraussetzt (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, § 54 Rn. 42a). Dieses ist gegeben, wenn den Antragstellern weiteres Zuwarten nicht zugemutet werden kann und sie insbesondere nicht auf nachträglichen einstweiligen Rechtsschutz - nach Anforderung der Kontoauszüge - verwiesen werden können. Weil die derzeitige Bewilligung zum 31.05.2014 endet und die einkommenslosen Antragsteller auf fortlaufende existenzsichernde Leistungen angewiesen sind, kann von ihnen nicht gefordert werden, die Vorlage der Kontoauszüge zu verweigern und die Ablehnung von Arbeitslosengeld II zu riskieren...

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