Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerbsminderungsrente: Darlegungs- und Beweislast des Klägers bei einem Weitergewährungsantrag
Leitsatz (amtlich)
Dem Kläger obliegt auch bei einem Weitergewährungsantrag die Darlegungs- und Beweislast, dass (nach wie vor) eine zeitliche Einschränkung seines Leistungsvermögens für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vorliegt.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14.12.2020 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Weitergewährung der vollen Erwerbsminderungsrente über den 31.10.2018 hinaus hat.
Der 1980 geborene Kläger hat von 1995 bis 1999 eine Ausbildung zum Industriemechaniker absolviert. Im Jahr 2000 wechselte er in den elterlichen Betrieb und fungierte dort als Werkstattleiter und Juniorchef. In der Zeit vom 01.07.2012 bis 31.10.2018 bezog der Kläger von der Beklagten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 ist zuerkannt. Seit 01.01.2019 steht er im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II -.
Ab dem 11.08.2017 befand sich der Kläger zur stationären Behandlung in der Fachklinik für Psychische Erkrankungen mit Ambulanz D-Klinik, in der eine (erneute) qualifizierte Alkoholentgiftung und anschließende Behandlung der Depression erfolgte. Angesichts des massiven Alkoholkonsums des Klägers in Zusammenhang mit der depressiven Symptomatik wurde eine Langzeittherapie der Alkoholabhängigkeit sowie eine weitere therapeutische Behandlung der psychischen Erkrankung im stationären Raum für unumgänglich gehalten.
In der Zeit vom 22.11.2017 bis 11.04.2018 befand sich der Kläger deshalb zur stationären medizinischen Rehabilitation in der S-Klinik. Bei den Diagnosen psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol und Tabak, Abhängigkeitssyndrom, rezidivierende Depression, leichte Episode, gemischte Hyperlipidämie, Adipositas, Psoriasis, Vitamin D-Mangel und Z.n. Konjunktivitis wurde der Kläger als arbeitsfähig sowie mit einem mindestens 6-stündigen Leistungsvermögen für die Tätigkeit als "Juniorchef" sowie für den allgemeinen Arbeitsmarkt (unter Beachtung qualitativer Einschränkungen) entlassen (Reha-Entlassungsbericht vom 11.04.2018).
Von dieser Maßnahme wechselte der Kläger direkt weiter in die Adaptionseinrichtung "M", in der er sich in der Zeit vom 11.04.2018 bis 02.07.2018 befand und ebenfalls mit einem mindestens 6-stündigen Leistungsvermögen für die letzte Tätigkeit und den allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen wurde (Reha-Entlassungsbericht vom 02.07.2018).
Am 02.07.2018 beantragte er bei der Beklagten die Weitergewährung seiner Rente und gab an, weiterhin unter Schlafstörungen, dauerhaftem Gedankenkreisen, Ängsten (dauerhaft), Alpträumen bei jedem Schlafen, Trauma-Erinnerungen, ständige Erschöpftheit, Überforderung und Übelkeit bei geringsten Tätigkeiten, dauerhaften Schmerzen im LWS-Bereich zu leiden. Zusätzlich belaste ihn die Tätigkeit am Bau, Verantwortung als Juniorchef, ständiger und dauerhafter Druck vom cholerischen Vater (beruflich wie privat). An seinen Arbeitsbedingungen könne er nichts mehr ändern, der Vater habe im April 2014 die Firma verkauft.
Die Beklagte holte eine prüfärztliche Stellungnahme vom Psychiater und Psychotherapeuten O vom 06.08.2018 ein, der unter Berücksichtigung der Reha-Entlassungsberichte bei den Diagnosen
1. Alkoholabhängigkeit, derzeit abstinent
2. Rezidivierende depressive Störung, zuletzt mittelgradig,
3. Psoriasis vulgaris
ein 3 bis unter 6-stündiges Leistungsvermögen des Klägers für die zuletzt verrichtete Tätigkeit als Bauleiter, jedoch ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Einschränkungen sah. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag auf Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente mit streitgegenständlichem Bescheid vom 09.08.2018 ab. Die Einschränkungen, die sich aus den Krankheiten oder Behinderungen des Klägers ergäben, führten nicht mehr zu einem Anspruch auf Erwerbsminderungsrente.
Hiergegen legte der Kläger am 27.08.2018 Widerspruch ein und wies darauf hin, dass die S-Klinik nur auf seine Alkoholsucht ausgelegt gewesen sei. Zeitweise hätten sich seine Depressionen und Ängste durch unterlassene Hilfeleistung der Ärzte verschlimmert, denen es nur darum gegangen sei, einen positiven Entlassungsbericht verfassen zu können. Er habe Mobbing und körperliche Gewalt durch Ärzte und Mitpatienten erleben müssen. Sein gesundheitlicher Zustand, der im Juli 2012 zur Gewährung der vollen Erwerbsminderungsrente geführt habe, habe sich kaum verändert. Beigefügt war ein vom Kläger erstellter Lebenslauf und ein psychiatrischer Befund zur Vorlage bei der Rentenkasse vom behandelnden Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie R vom 07.11.2018. Danach sei d...