Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Auslandswohnsitz

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen des Arbeitslosengeldanspruches in Deutschland im Falle eines Auslandswohnsitzes.

 

Normenkette

SGB III §§ 118-119, 152 Nr. 2; SGB I § 3 Abs. 2 Nr. 4, § 19 Abs. 1 Nr. 6, § 30 Abs. 1; VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 1 lit. f, Art. 63, 65 Abs. 2 Sätze 1-2, Abs. 5

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.11.2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller (ASt) begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg).

Am 01.08.2011 meldete sich der ASt bei Geschäftsstelle der Antragsgegnerin (Ag) in Frankfurt am Main mit Wirkung zum 20.08.2011 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Er stehe in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis bei der L. AG, sei jedoch seit 19.02.2010 arbeitsunfähig erkrankt und könne seine Tätigkeit als Flugbegleiter nicht ausüben. Mit Ablauf des 19.08.2011 ende sein Krankengeldbezug. Seinen Wohnsitz habe er seit 1999 in A-Stadt/ Frankreich. Die Ag lehnte den Antrag mit Bescheid vom 17.08.2011 ab. Der ASt habe im Geltungsbereich des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Im hiergegen erhoben Widerspruch machte der ASt unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 07.10.2009 (B 11 AL 25/08 R) geltend, er erfülle sämtliche Anspruchsvoraussetzungen nach deutschem Recht, insbesondere sei er jederzeit in der Lage Termine in Frankfurt wahrzunehmen, denn er erhalte von seinem Arbeitgeber stark verbilligte Flüge. Zudem habe er ohnehin regelmäßig ärztliche Untersuchungen und Facharzttermine in Frankfurt. Die Ag könne sich daher nicht darauf berufen, dass er keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe. Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 02.09.2011 hat der ASt Klage (S 8 AL 340/11) zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben, über die bislang nicht entschieden ist.

Am 26.09.2011 hat der ASt beantragt, die Ag im Wege einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Alg zu verpflichten. Die Angelegenheit sei dringlich, denn er habe seine Ersparnisse aufgebraucht und benötige Geld für seinen Lebensunterhalt. Es bestehe auch ein Anspruch nach deutschem Recht, denn er sei wie ein Grenzgänger zu behandeln. Aufgrund seiner Lebensumstände stehe er dem deutschen Arbeitsmarkt, an den er noch eine besondere Anbindung habe, zur Verfügung. Zudem habe er familiäre Beziehungen nach Deutschland.

Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 11.11.2011 abgelehnt. Nach der Rechtsprechung EuGH in der Rechtssache Miethe sei es möglich, dass arbeitslose Grenzgänger ausnahmsweise Leistungen der deutschen Arbeitslosenversicherung erhalten, wenn sie so enge und wirtschaftliche Beziehungen zu Deutschland hätten, dass ihre Eingliederungschancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt höher einzuschätzen wären als im Wohnsitzstaat. Solche Arbeitnehmer seien als atypische Grenzgänger iSd Art 71 Abs 1 b VO (EWG) 1408/71 anzusehen. Diese Voraussetzungen erfülle der ASt nicht. Auch die Entscheidung des BSG vom 07.10.2009 finde auf den ASt keine Anwendung, denn er habe keinen grenznahen Auslandswohnsitz. Zudem sei nicht belegt, dass er die Voraussetzungen der Erreichbarkeitsanordnung erfülle.

Gegen den Beschluss hat der ASt Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Das SG habe nicht beachtet, dass der Anspruch auf Alg an die Beitragsentrichtung anknüpfe, die nach deutschem Recht erfolgt sei. Zudem stelle Art 71 Abs 1 b) i) VO (EWG) 1408/71 darauf ab, dass der Betroffene der Arbeitsverwaltung zur Verfügung stehe. Die Ausführungen des SG zur Verfügbarkeit seien insoweit nicht nachvollziehbar, denn er erfülle die Voraussetzungen der Erreichbarkeitsanordnung, insbesondere könne er täglich nach Frankfurt kommen. Leistungen nach französischem Recht würden ihm frühestens gewährt, wenn eine Kündigung vorläge.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§ 172 Abs 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG), in der Sache jedoch unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens ist die Bewilligung laufender Leistungen nach dem SGB III. Dies hat die Ag mit Bescheid vom 17.08.2011 idG des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2011 abgelehnt. Die Bewilligung der Leistungen macht der ASt im Rahmen einer Anfechtungs- und Leistungsklage (S 8 AL 340/11) geltend, so dass § 86b Abs 2 Satz 2 SGG die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes darstellt.

Eine einstweilige Regelung ist zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn der ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998 BVerf...

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