Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Selbsthilfegrundsatz. Tilgung von Schulden. Ausschlussgrund
Leitsatz (amtlich)
Eine Verletzung des Selbsthilfegrundsatzes (§ 2 Abs 1 SGB 12) mit der Folge des Ausschlusses von Sozialhilfe kommt bei der Tilgung von Schulden durch Vermögen des Hilfesuchenden nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen - insbesondere des subjektiven Tatbestandes - möglicher Ausschlussgründe (zB §§ 26, 41 Abs 3 SGB 12) erfüllt sind.
Orientierungssatz
Eine hinreichende Erfolgsaussicht im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) ist anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist, wobei entscheidend auf den voraussichtlichen Erfolg in der Sache selbst und nicht auf einen davon losgelösten Erfolg des Rechtsmittels abzustellen ist. Zweck der PKH, dem Unbemittelten weitgehend gleichen Zugang zu Gericht wie dem Bemittelten zu gewähren, gebietet lediglich, ihn einem solchen Bemittelten gleichzustellen, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko mitberücksichtigt (vgl BVerfG vom 13.3.1990 - 2 BvR 94/88 = BVerfGE 81, 347 = NJW 1991, 413 und vom 2.2.1993 - 1 BvR 1697/91 = FamRZ 1993, 664).
Tenor
Den Klägern wird unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Augsburg vom 21. September 2007 (Az.: S 15 SO 42/06) Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für das Klageverfahren ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt R. B., B-Straße, A-Stadt beigeordnet.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch 12. Buch (SGB XII) streitig. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH).
Der 1940 geborene Kläger und Beschwerdeführer sowie die 1941 geborene Klägerin und Beschwerdeführerin sind Bezieher von Altersrente. Die Kläger beantragten erstmals am 16.11.2004 Grundsicherungsleistungen. Mit Bescheid vom 26.11.2004 wurde die Gewährung von Grundsicherungsleistungen wegen Überschreitung des Vermögensfreibetrages abgelehnt. Zugleich wurden die Kläger darauf hingewiesen, das den Gesamtfreibetrag übersteigende Vermögen "zur Deckung des künftigen Lebensunterhalts sparsam zu verwenden". Aus den vorgelegten Bankbestätigungen ergibt sich bei der Sparkasse A-Stadt (Übersicht vom 24.11.2004 einschließlich Bausparvertrag L.) ein Guthaben in Höhe von 11.385,06 Euro sowie bei der Raiffeisenbank B. (Übersicht vom 25.11.2004) ein Betrag in Höhe von 184,04 Euro.
Am 16.03.2005 wurde durch die Kläger ein erneuter Antrag auf Grundsicherungsleistungen gestellt. Gemäß Übersicht vom 16.03.2005 standen an diesem Tag dem Guthaben in Höhe von 8.794,73 € Verbindlichkeiten in Höhe von 7.702,79 € gegenüber.
Mit Bescheid vom 08.04.2005 wurde die Gewährung laufender Leistungen nach dem SGB XII abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, zum 16.03.2005 sei ein bestehender Bausparvertrag aufgelöst und ein Betrag in Höhe von 9.132,50 € zugeflossen. Die zur vorhandenen Vermögensfreigrenze (3.214 €) verbleibende Differenz von circa 5.900 € reiche bei sparsamer Verwendung mindestens zwei Jahre. Sollten diese Mittel früher aufgebraucht worden sein, müsse dies durch Ausgabequittungen belegt werden.
Hiergegen richtet sich der am 14.04.2005 erhobene Widerspruch. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Bausparvertrag sei in Höhe von 7.000 € zur Tilgung eines Darlehens welches der Kläger per Überweisung durch Herrn H. Y. in zwei Teilbeträgen am 06.01 und 14.01.2004 erhalten habe, verwendet worden. Zum Nachweis wurde eine Bestätigung von Herrn H. Y. beigefügt.
Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 15.02.2006 durch die Regierung von Schwaben zurückgewiesen. Danach bestehe unter Berufung auf § 41 Abs. 3 SGB XII ein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nicht, wenn in den letzten 10 Jahren die Bedürftigkeit vorsätzlich oder grobfahrlässig herbeigeführt worden sei. Dabei sei zumindest ein grob fahrlässiges Verhalten gegeben, da der Kläger nach Auszahlung des Bausparvertrages das Guthaben nicht zur Deckung seines Lebensunterhaltes sondern zur Schuldentilgung verwendet habe. Es sei bereits bei einer früheren Antragstellung im November 2004 daraufhingewiesen worden, dass er dieses Vermögen vorrangig und sparsam zur Deckung des künftigen Lebensunterhaltes zu verwenden habe. Wenn er nach Erhalt der Bausparsumme das Vermögen in Kenntnis seiner vorrangigen Verpflichtung anderweitig verwende und dadurch sozialhilferechtliche Bedürftigkeit verursache, habe er die ihm obliegende Sorgfaltspflicht in besonders schwerem Maße verletzt.
Mit der am 23.02.2006 zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage (Az.: S 15 SO 42/06) führt der Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom 02.03.2006 aus, ein schuldhaftes Ver...