Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung des persönlichen Erscheinens. Ordnungsgeld. genügende Entschuldigung. Glaubhaftmachung durch eidesstattliche Versicherung
Leitsatz (amtlich)
Zur Glaubhaftmachung eines Vorbringens durch eidesstattliche Versicherung.
Leitsatz (redaktionell)
1. Hinsichtlich der Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung besteht im sozialgerichtlichen Verfahren ein weiterer Ermessensspielraum als vor den Zivilgerichten. Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens kann auch die Herbeiführung einer vergleichsweisen Erledigung sein.
2. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen unentschuldigten Nichterscheinens zum Termin der mündlichen Verhandlung ist nicht gerechtfertigt, wenn glaubhaft gemacht wird, dass noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung die Klagerücknahme bei Gericht eingegangen ist.
Normenkette
SGG §§ 111, 202; ZPO § 141 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, §§ 380-381, 294 Abs. 1
Tenor
I. Der Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts München vom 22. Oktober 2010 wird aufgehoben.
II. Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer die ihm im den Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beschwerde richtet sich gegen die Verhängung von Ordnungsgeld.
Mit zwei Klagen vor dem Sozialgericht München (Az.: S 40 AL 990/06 und S 40 AL 1035/10) hat der Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) eine Leistungsbewilligung ohne vorläufige Sperrzeit begehrt und sich insoweit gegen den Bescheid der Beklagten vom 21. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2006 gewandt.
Das Sozialgericht hat den Bf. mit Schreiben vom 16. Oktober 2006 um Stellungnahme gebeten, ob die Klage trotz des nach Auffassung der Beklagten fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses und der daraus resultierenden fehlenden Erfolgsaussichten aufrecht erhalten wird. Eine Äußerung des Bf. ist hierzu zunächst nicht eingegangen.
Das Sozialgericht hat den Bf. zu einem Termin auf den 22. Oktober 2010 geladen und dessen persönliches Erscheinen angeordnet. Die Ladung war mit dem Hinweis versehen, dass gegen den Bf. ein Ordnungsgeld bis zu 1.000 EUR festgesetzt werden kann, falls er ohne genügende Entschuldigung nicht erscheint. Die Ladung ist dem Bf. am 6. Oktober 2010 mit Zustellungsurkunde zugestellt worden.
Zum Termin am 22. Oktober 2010 ist der Bf. nicht erschienen. Das Sozialgericht hat die ordnungsgemäße Ladung festgestellt und mit Beschluss wegen unentschuldigten Aus-bleibens im Termin gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 141 Abs. 3, 380 Zivilprozessordnung (ZPO) ein Ordnungsgeld in Höhe von 200,00 EUR festgesetzt. Eine am 21. Oktober 2010 zur Post gegebene Klagerücknahmeerklärung vom 15. Oktober 2010 sei der Kammer, wie sich aus dem nach der mündlichen Verhandlung verfassten Beschlusstext ergibt, erst nach Beendigung der Sitzung - nämlich mit Eingangsstempel des Sozialgerichts vom 22. Oktober 2010 - zugegangen. Ferner hat es die mündliche Verhandlung vertagt.
Zur Begründung der hiergegen eingereichten Beschwerden hat der Bf. vorgebracht, dass seine Klagerücknahme bereits am Tag der angesetzten mündlichen Verhandlung vorgelegen habe. Der Eingang sei auf telefonische Anfrage seiner Lebensgefährtin noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung von einer Mitarbeiterin der Geschäftsstelle bestätigt worden. Auch aus dem Akteninhalt ergebe sich klar, dass eine Klagerücknahme erfolge. Hierzu hat die Lebensgefährtin des Bf. am 9. Februar 2011 an Eides statt versichert, noch vor der mündlichen Verhandlung am 22. Oktober 2010 sei ihr von der Posteingangsstelle des Sozialgerichts telefonisch der Eingang der Klagerücknahme bestätigt worden.
Der Senat hat die Beschwerden mit Beschluss vom 10. Dezember 2010 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 SGG) und begründet.
Nach §§ 111, 202 SGG i.V.m. § 141 ZPO kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung angeordnet werden und derjenige, der der Anordnung nicht Folge leistet, mit Ordnungsgeld wie ein im Vernehmungstermin nicht erschienener Zeuge belegt werden. Ob der Vorsitzende eine Anordnung nach § 111 SGG treffen will, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Hält er eine persönliche Erörterung für notwendig, so kann er hierzu das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen. Nach § 141 Abs. 1 S. 1 ZPO ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten dann ermessensfehlerfrei, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist dabei der Ermessensspielraum weiter. Da das Gericht gehalten ist, in einer mündlichen Verhandlung eine Entscheidung zu treffen, bedarf es vielfach der persönlichen Anwesenheit der Beteiligten, um die Sach- und Rechtslage zu klären und/oder zu sachdienlichen Anträgen zu gelangen. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Bf. ist insofern ermessensfehlerfrei, zumal Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens auch di...