Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz bei Versagung von Grundsicherungsleistungen. Abwägung. Schutz gegen Krankheit. Krankenversicherung. Eilbedürftigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist eine vorläufige Versagung von Leistungen nach § 66 SGB I rechtmäßig, kann einem hiergegen gerichteten Eilantrag nur dann Erfolg beschieden sein, wenn unter Betonung der Rechtsschutzfunktion des Eilverfahrens und unter Überschreitung der – allein auf Aufhebung der vorläufigen Versagung und Verpflichtung zur neuen Entscheidung in der Sache gerichteten – Hauptsache auf die letztlich angestrebte Sozialleistung abgestellt und diese vom Gericht trotz der verletzten Mitwirkungspflicht vorläufig zuerkannt würde, obwohl eine diesbezügliche Verwaltungsentscheidung im Sinn einer endgültigen behördlichen Ablehnung der Leistung noch gar nicht vorliegt. Hierzu ist eine unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes im Sinne des Art. 19 IV GG und unter Lösung von den engeren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 86 b Abs. 2 SGG durchgeführte Abwägung durchzuführen.
2. Eine aktuelle und konkrete Notlage, die eine für den im Eilverfahren begehrten Schutz gegen Krankheit erforderliche Eilbedürftigkeit begründen könnte, ist nicht gegeben, wenn die Herbeiführung des Schutzes in der Hand des Antragstellers liegt.
3. Die sozialhilferechtliche Krankheitshilfe nach § 48 S. 1 SGB XII ist gegenüber den Regelungen zur Krankenbehandlung nach § 264 SGB V nachrangig. Die Hilfe zur Krankheit nach § 48 SGB XII hat demnach einen sehr beschränkten Anwendungsbereich. Im Wesentlichen anspruchsberechtigt sind nur noch Personen, die nicht gesetzlich krankenversichert sind und nicht zum berechtigten Personenkreis nach § 264 Abs. 2 SGB V gehören.
Normenkette
SGG § 86b Abs. 2 S. 2; SGB I § 66; SGB XII § 48 Sätze 1-2; SGB V § 264 Abs. 2; GG Art 10 IV
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 19. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Im vorliegenden Eilverfahren geht es um die Frage, ob die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten ist, dem Antragsteller vorläufig Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Sozialgesetzbuch -SGB - XII zu gewähren.
Am 06.03.2007 beantragte der 1933 geborene Antragsteller Leistungen der Grundsicherung im Alter. Nach seinen Angaben bezieht er eine Rente in Höhe von 279,90 EUR. Mieterin der (auch von ihm bewohnten) Wohnung sei seine Mutter. Bis März 2008 habe er Unterhaltsleistungen von seiner geschiedenen Frau in Höhe von 383,80 EUR erhalten, die dann eingestellt worden seien; eine Klage laufe. Die Einstellung der Unterhaltszahlungen war mit einem Schreiben der geschiedenen Ehefrau des Antragstellers vom 05.02.2008 angekündigt worden.
Die Antragsgegnerin forderte den Antragsteller unter Fristsetzung mehrfach auf, die Kontoauszüge seiner Mutter und auch die seines eigenen Girokontos vorzulegen, auf das die Rente überwiesen wird. Der Antragsteller verweigerte die Vorlage.
Mit Bescheid vom 13.03.2008 wurden die Leistungen gemäß § 66 SGB I versagt. Der Ast sei informiert worden, dass er sich bei seiner letzten gesetzlichen Krankenversicherung wieder gesetzlich versichern müsse, da es hierzu eine Gesetzesänderung gegeben habe. Daraufhin seien mehrere Erinnerungsschreiben erfolgt. Am 31.10.2007 sei eine Unterlagenanforderung zugesandt worden, da sich mit einem Versicherungsbeitrag eine Grundsicherungsleistung errechnen könnte. Der Ast habe allerdings nicht alle Unterlagen vorgelegt. Es fehlten die Auszüge für das Konto, auf das seine Rente überwiesen werde und Nachweise über die Unterhaltszahlungen seiner Frau.
Gegen diesen Bescheid legte der Ast Widerspruch ein. Er sei durch Scheidung in Abhängigkeit geraten. Er sei als kaufmännischer Angestellter aus steuerlichen Gründen geführt worden mit einem kleinen Gehalt. Seine monatliche Rente betrage 281,40 Euro. Es gehe um die Lebenshaltungskosten (Miete, Kleider, Schuhe) und um die monatlichen Versicherungsbeiträge zur DAK. Er sei seit September nicht versichert und müsse dringend ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Die Regierung von Oberbayern wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2008 zurück. Der Ast habe trotz mehrmaliger Aufforderungen lediglich die Kontoauszüge für das Konto seiner Mutter vorgelegt, nicht jedoch die Kontoauszüge für sein eigenes Konto, auf das die Rente überwiesen werde. Außerdem habe er auch nicht nachgewiesen, welche Unterhaltszahlungen er von seiner geschiedenen Frau erhalte. Die Mitwirkung sei dem Ast zumutbar.
Am 23.04.2008 hat der Antragsteller beim Sozialgericht München - SG - die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz beantragt. Er sei durch Scheidung in Abhängigkeit geraten und seit September 2007 ohne Krankenversicherung.
Mit Beschluss vom 19.06.2008 hat das SG den Eilantrag abgewiesen und ausgeführt, der Antragsteller habe gegenüber dem Gericht Hilfebedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht. Auf die gerichtliche Bitte vom 10.06.2...