Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Erreichbarkeit eines Empfängers von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde gegen Ziffer I und II des Beschlusses des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.07.2010 wird Ziffer I abgeändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 01.02.2010 gegen den Bescheid vom 07.01.2010 wird angeordnet. Im übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

II. Die Antragsgegnerin hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antrags- und Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt B., A-Stadt, beigeordnet.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin (ASt) begehrt die Bewilligung von der Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab dem 01.01.2010.

Die ASt bezog mit Unterbrechungen seit Januar 2005 Alg II. Die Antragsgegnerin (Ag) bewilligte der ASt zuletzt mit bestandskräftigen Bescheid vom 02.12.2009 die monatliche Regelleistung in Höhe von 359.- € für den Zeitraum 01.11.2009 bis 30.04.2010. Mit ihrem Fortzahlungsantrag vom 30.10.2009 hatte die ASt angegeben, nach der Zwangsräumung ihrer Wohnung seit Mai 2009 keine feste Anschrift mehr zu haben. Postalisch sei sie über ihre Tochter zu erreichen. Die Ag wies im Bescheid darauf hin, dass die Bewilligung vorläufig erfolge. Nach den Angaben im Leistungsantrag halte sich die ASt im R.Weg in A-Stadt auf. Hierdurch ändere sich die Zuständigkeit innerhalb der ARGE.

Nachdem Postscheckübersendungen an die ASt für die Leistungen im November und Dezember 2009 unter der Anschrift im R.Weg an die Ag zurückgingen, weil die ASt nicht anzutreffen gewesen sei, hob die Ag mit Bescheid vom 07.01.2010 die Bewilligung des Alg II für die Zeit ab dem 01.01.2010 auf. Nach § 7 Abs 4a SGB II iVm der Erreichbarkeitsanordnung habe der Leistungsempfänger sicherzustellen, innerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches durch Briefpost erreichbar zu sein.

Mit Widerspruch vom 01.02.2010 brachte die ASt vor, sie halte sich vorübergehend bei einem Bekannten im R.Weg auf. Postalisch sei sie über ihre am A.Platz wohnhafte Tochter zu erreichen. Über den Widerspruch ist bislang nicht entschieden.

Am 01.06.2010 hat die ASt beim Sozialgericht Nürnberg (SG) beantragt, die Ag im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die mit Bescheid vom 02.12.2009 bewilligten Leistungen auszuzahlen und die monatliche Regelleistung in Höhe von 359.- € über den 30.04.2010 hinaus zu bewilligen. Sie sei nicht polizeilich gemeldet, weil sie sich nur vorübergehend im R.Weg aufhalte, bis sie eine neue Wohnung angemietet habe. Bei ihrer Tochter könne sie nicht wohnen, denn diese lebe in beengten Verhältnissen, jedoch sei sie dort jederzeit postalisch erreichbar.

Dem hat die Ag entgegengehalten, die ASt lebe seit mehr als einem Jahr im R.Weg ohne erkennbare Absicht, sich eine neue Wohnung zu suchen, so dass nahe liege, es bestehe eine Bedarfsgemeinschaft zwischen der ASt und dem Mieter der Wohnung. Insoweit sei die Bedürftigkeit der ASt ungeklärt.

Das SG hat mit Beschluss vom 06.07.2010 den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. In Bezug auf den Widerspruch vom 01.02.2010 könne einstweiliger Rechtsschutz nur in der Form beansprucht werden, die aufschiebende Widerspruches gegen den Bescheid vom 07.01.2010 anzuordnen. Hierbei sei im Rahmen der zu treffenden Interessenabwägung neben den Erfolgsaussichten auch die Dringlichkeit der Angelegenheit zu berücksichtigen. Diese sei nicht glaubhaft gemacht, denn es handle sich in Bezug auf die mit Bescheid vom 02.12.2009 bewilligten Ansprüche um Leistungen für bereits abgelaufene Bewilligungszeiträume. Eine Fortwirkung aus der Leistungsverweigerung in der Vergangenheit sei jedoch nicht zu erkennen, denn ursächlich für eine aktuell bestehende Notlage sei nicht die unterbliebenen Auszahlungen für die Monate bis April 2010, sondern der Umstand, dass die ASt - nach Ermittlungen des SG - keinen Fortzahlungsantrag gestellt habe. In der Folge sei auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, Leistungen ab dem 01.05.2010 zu gewähren. Einem derartigen Eilantrag fehle das Rechtsschutzbedürfnis, denn Voraussetzung für eine Regelungsanordnung iSd § 86b Abs 2 SGG sei ein streitiges Rechtsverhältnis. Mangels Fortzahlungsantrages für die Zeit ab dem 01.05.2010 gebe es jedoch kein reglungsbedürftiges Rechtsverhältnis.

Gegen diesen Beschluss hat die ASt Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und beantragt, die laufenden Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 359.- €/ Monat auszubezahlen. In der Zeit nach dem 05.01.2010 habe sie sich durch private Darlehen über Wasser gehalten, die zurückzuzahlen seien, sodass die Nichtzahlung der Leistungen existenzbedrohend fortwirke. Für die Zeit ab dem 01.05.2010 einen Fortzahlungsantrag zu ford...

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