Orientierungssatz

1. § 14 SGB 9 ist einschlägig, wenn Leistungen zur Teilhabe iS von § 4 SGB 9 geltend gemacht werden.

2. Leistungen zur Teilhabe iS von § 55 Abs 1 Halbs 1 SGB 9 sind alle Leistungen, die dem behinderten Menschen die Verwirklichung eines Teilhabeziels ermöglichen oder sichern, die also Beeinträchtigungsfolgen in Bezug darauf voll auszugleichen oder drohende Beeinträchtigungen voll abzuwenden vermögen. Es genügt auch, wenn sie geeignet sind, die Folgen einer Behinderung zu mildern. Zu diesen Leistungen zur Teilhabe kann daher auch die Unterbringung eines behinderten Menschen in einer vollstationären Pflegeeinrichtung mit vorgegebenen Tagesstrukturen und geregeltem Tagesablauf gehören, um einer Verwahrlosungstendenz entgegenzuwirken.

3. § 14 SGB 9 wird nicht durch die Regelung über die vorläufige Leistungserbringung in § 98 SGB 12 verdrängt, weil er für die Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen eine für die Rehabilitationsträger abschließende Regelung enthält, die den allgemeinen Regelungen zur vorläufigen Zuständigkeit oder Leistungserbringung im SGB 1 und den Leistungsgesetzen der Rehabilitationsträger vorgeht und alle Fälle der Feststellung der Leistungszuständigkeit erfasst.

4. Hat der zuerst angegangene Leistungsträger den Antrag entgegen § 14 Abs 1 S 2 SGB 9 weder an den seines Erachtens zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet noch selbst innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist von zwei Wochen den Antrag abgelehnt oder die Leistung selbst erbracht, besteht seine vorläufige Zuständigkeit und nicht nur seine vorläufige Leistungspflicht.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Übernahme der ungedeckten Kosten für die Unterbringung des Antragstellers (ASt) im Pflegeheim V. , N ...

Der 1946 geborene ASt hielt sich vom Oktober 1998 bis Ende September 2000 in E. auf, wo er in Übergangswohnheimen, Notunterkünften und sonstigen Zufluchtsstätten lebte. Ende September 2000 brach er nach M. auf, um sich dort einer medizinischen Behandlung zu unterziehen. Nach Zwischenaufenthalten in Obdachlosenunterkünften oder Krankenhäusern traf er am 31.10.2000 im Caritas-Wohnheim I. ein, wo er bis zum 11.11.2001 aufgenommen wurde. Vom 12.11.2001 bis 29.07.2002 befand er sich im Klinikum I ... Vom 30.07.2002 bis 13.10.2002 lebte er im M.heim P. , von wo aus er am 14.10.2002 wieder in das Klinikum I. zurückkehrte. Die Unterbringung des ASt in der geschlossenen Abteilung des psychiatrischen Krankenhauses erfolgte aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts I. vom 04.02.2002 in der Fassung des Beschlusses des Landgerichts I. vom 18.07.2002 im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren. Vom Klinikum I. wechselte der ASt am 02.01.2003 in das Fachpflegeheim E. in N ... Nach Aufhebung des Unterbringungsbeschlusses wechselte der ASt in das Pflegeheim V. , N. , wo er seither lebt.

Vom Beigeladenen erhielt der ASt für die Zeit ab dem 31.10.2000 Leistungen nach dem früheren Bundessozialhilfegesetz (BSHG), zuletzt Eingliederungshilfe gemäß §§ 39, 40 Abs 1 Nr 8 BSHG. Nach dem Umzug des ASt in die offen geführte Pflegeeinrichtung V. stellte der Beigeladene mit Schreiben vom 31.01.2004 die Leistungen der Eingliederungshilfe ein.

Bereits mit Schreiben vom 21.11.2003 und vom 28.11.2003 beantragte der Betreuer des ASt beim Beigeladenen die Übernahme der Kosten bzw. die Erteilung einer Kostenzusage für die Unterbringung des ASt im Pflegeheim der V ... Ohne einen rechtsmittelfähigen Bescheid über den Antrag zu erteilen, antwortete der Beigeladene mit Schreiben vom 15.12.2003, dass eine vorläufige Kostenzusage nicht gemacht werde, bestätigte, dass der Antrag auf Sozialhilfeleistungen im Rahmen der Hilfe zur Pflege gemäß § 68 BSHG vorliege und forderte weitere Unterlagen an.

Der Betreuer des ASt beantragte mit Schreiben vom 18.05.2004 über die Gemeindeverwaltung N. bei der Sozialhilfeverwaltung des Antragsgegners (Ag) die Übernahme der Unterbringungskosten in der o.a. Pflegeeinrichtung. Nach dem Gutachten des Med. Dienstes der Krankenkassen in Bayern vom 11.02.2004 ist beim ASt neben einer Behandlungspflege eine Grundpflege von zwei Minuten pro Tag sowie eine Unterbringung in einer vollstationären Pflegeeinrichtung mit vorgegebenen Tagesstrukturen und geregeltem Tagesablauf erforderlich, um einer Verwahrlosungstendenz entgegenzuwirken.

Der Antrag auf Übernahme der Heimkosten ging beim Ag am 04.06.2004 ein. Zur Klärung der Frage der Zuständigkeit bat der Ag den Betreuer des ASt um weitere Angaben zu den Aufenthalten des ASt und den bisherigen Kostenträgern. Mit weiterem Schreiben vom 02.07.2004 meldete der Ag beim Betreuer des ASt Zweifel an seiner Zuständigkeit an.

In der Folgezeit stritten der Ag und der Beigeladene um die Zuständigkeit für die hier begehrte Leistung.

Am 25.08.2005 beantragte der ASt beim Sozialgericht Landshut (SG), den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die ungedeckten Unterbringungskosten in der Zeit vom 30.12.2003 bis 31.07.2005 in Höhe von 37.008,02 EUR sowie ab dem 01.08.2005 di...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge