Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerbsminderungsrente: Leistungsvermögen bei einer bipolar affektiven Störung
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente.
Orientierungssatz
Bei Vorliegen einer bipolar affektiven Störung kann sowohl für den zuletzt ausgeübten Beruf (hier: Krankenschwester) als auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen, wenn auch unter Beachtung qualitativer Einschränkungen hinsichtlich des geistig/ psychischen Belastungspotentials, gegeben sein.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 21.06.2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin gegen die Beklagte aufgrund ihres Antrags vom 05.05.2015 Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente hat.
Die 1957 geborene Klägerin hat in der Zeit vom 01.10.1974 bis 30.09.1977 eine Ausbildung als examinierte Krankenschwester erfolgreich absolviert und war in diesem Beruf mit Unterbrechungen bis 2013 beschäftigt. Seit 2015 ist die Klägerin bis laufend in mehreren geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen tätig, unter anderem beim Bischöflichen Ordinariat B-Stadt mit Reinigungsarbeiten im Umfang von sieben bis zehn Stunden monatlich, bei verschiedenen Familienmitgliedern, Bekannten mit Reinigungsarbeiten, Bügelarbeiten.
Am 05.05.2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Erwerbsminderungsrente und gab an, sich seit Ende 2013 erwerbsgemindert zu fühlen. Sie leide an Depressionen, sei antriebslos und verwirrt. Ferner bestünden Schulterbeschwerden (Impingement). Sie könne keine Tätigkeiten mehr verrichten. Sie sei seit Ende 2013 laufend arbeitsunfähig erkrankt.
Die Beklagte holte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. M. ein, der am 07.07.2015 zu dem Ergebnis gelangte, dass die Klägerin ihre letzte Tätigkeit noch sechs Stunden und mehr verrichten könne und auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen hinsichtlich der geistig/psychischen Belastbarkeit bestehe.
Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 23.07.2015 eine Rentengewährung ab. Den hiergegen am 17.08.2015 eingelegten Widerspruch, der mit Schreiben vom 18.09.2015 dahingehend begründet wurde, dass bei der Klägerin eine bipolar affektive Störung mit rezidivierenden schweren depressiven Episoden vorliege, in der sich Kraftlosigkeit, Antriebs- und Konzentrationsstörungen und Grübelneigung bis hin zu Suizidgedanken zeigten, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2015 als unbegründet zurück. Dr. M. habe in seinem Gutachten festgestellt, dass die Klägerin zum Untersuchungszeitpunkt weder physische noch psychische Beschwerden gehabt habe. Im psychischen Befund sei die Stimmung ausgeglichen gewesen. Es zeigten sich primär-persönliche religiöse Ideen, aber kein Wahn. Antrieb, Konzentration, Mnestik und formales Denken seien regelrecht gewesen. Nach der Einschätzung von Dr. M. könne die Klägerin zumindest mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung von Funktionseinschränkungen weiterhin mindestens 6-stündig ausführen. Auch eine Tätigkeit als Krankenschwester sei nach den Feststellungen von Dr. M. möglich.
Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 03.11.2015 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und mit Schriftsatz vom 02.11.2015 darauf hingewiesen, dass der Klägerin jedenfalls eine teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit zu gewähren sei. Es bestünden schwerwiegende Leistungsbeeinträchtigungen durch eine psychische Erkrankung mit wahnhaften Störungen. Sie könne ihren Alltag nur mit Hilfe von Familienangehörigen bewältigen. Aufgrund der Schwere des Krankheitsbildes der Klägerin müsse davon ausgegangen werden, dass es ihr nicht möglich sei, im Beruf als Krankenschwester noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten von mindestens 6-stündiger täglicher Dauer zu verrichten. Der medizinische Sachverhalt sei auf nervenärztlichem Fachgebiet nicht genügend aufgeklärt.
Das SG hat einen Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin K. B. beigezogen, der angab, dass sich die Klägerin im Jahr 2014 nur zweimal und im Jahr 2015 nur einmal am 15.12.2015 vorgestellt habe. Es sei an Beschwerden geäußert worden rezidivierende Apathie, Lustlosigkeit, Kraftlosigkeit, Müdigkeit. Es habe ein ausführliches Gespräch stattgefunden sowie Ausstellung von Rezepten im Jahr 2014. Die Klägerin leide an Depressionen, die von Frau Dr. D. behandelt würden. Des Weiteren hat das SG einen Befundbericht von Frau Dr. D., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, D-Stadt, beigezogen. Diese berichtete von einer erstmaligen ambulanten Behandlung im Dezember 2014, die letzte Vorstellung war am 22.10.2015 erfolgt. Bei fehlendem Krankheitsgefühl und euph...