Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde gegen eine Regelungsanordnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat die Behörde aufgrund einer einstweiligen Anordnung (Regelungsanordnung) des Sozialgerichts (vorläufig) geleistet oder unter Missachtung der sofortigen Vollziehbarkeit (§ 175 SGG) rechtswidrig nicht geleistet, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde insoweit. Ein rechtlicher oder tatsächlicher Vorteil ergibt sich durch die Aufhebung der Regelungsanordnung nicht, weil ein Rückzahlungsanspruch erst mit der rechtskräftigen Entscheidung des Hauptsacheverfahrens entsteht.

2. Für den Zeitraum ab der Bekanntgabe der Beschwerdeentscheidung hat die Behörde jedoch ein Rechtsschutzbedürfnis, da bei einer Abänderung oder Aufhebung der Regelungsanordnung ab der Bekanntgabe niedrigere bzw. keine Leistungen mehr zu erbringen sind.

3. In atypischen Fällen kann ein Antrag nach § 199 Abs. 2 SGG mit dem Ziel der Aussetzung des Sofortvollzugs der Regelungsanordnung gestellt werden.

 

Orientierungssatz

Zitierung: Fortführung LSG München. 8. Februar 2017, L 8 SO 269/16 B ER

 

Tenor

I. Die Beschwerde wird teilweise verworfen und im Übrigen mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass höhere Leistungen bis zur Entscheidung in der Hauptsache bzw. längstens bis 31.12.2018 zu gewähren sind, zurückgewiesen.

II. Die Beschwerdeführerin erstattet dem Antragsteller/Beschwerdegegner die notwendigen außergerichtlichen Kosten.

 

Gründe

A.

Streitig ist, ob die Beschwerdeführerin (Bf.) ab 1.1.2018 auch die Kosten der Unterkunft tragen muss.

Der 1979 geborene Antragsteller bezieht von der Bf. Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Er leidet an einer psychischen Erkrankung. Er lebt seit dem 01.09.2009 in einer knapp 65 m2 großen Zwei-Zimmer-Wohnung, die von der Mutter des Antragstellers angemietet wurde. Die Mietzahlungen erfolgen über das Konto der Mutter. Bis zum 30.11.2012 lebte er zusammen mit seiner Mutter in der Wohnung; seitdem bewohnt er diese allein. Die Kosten der Unterkunft wurden bis 31.12.2017 von der Beschwerdeführerin getragen.

Am 26.04.2017 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin erstmals mit, dass die Miete für die Wohnung um 87,30 Euro auf 858,30 Euro erhöht worden sei und beantragte unter Vorlage des Mieterhöhungsverlangens und der Zustimmung seiner Mutter die Übernahme höherer Kosten der Unterkunft. Daraufhin forderte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 21.6.2017/19.07.2017 erstmalig die Vorlage eines Untermietvertrages/einer Nutzungsvereinbarung zwischen dem Antragsteller und seiner Mutter (436 Beklagtenakte) bzw. den Nachweis, dass der Mietvertrag auf ihn umgeschrieben worden sei.

Am 08.09.2017 legte die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers auf Nachfrage der Bf. einen auf den 01.01.2015 datierten Untermietvertrag vor.

Mit Bescheid vom 08.12.2017 bewilligte die Bf. dem Antragsteller Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 837,85 Euro für die Zeit vom 01.01.2018 bis 31.12.2018. Hierbei ließ sie die vom Antragsteller geltend gemachten Kosten der Unterkunft unberücksichtigt. Der Antragsteller sei nicht vertraglich verpflichtet, Miete zu zahlen. Mit Schreiben vom 29.12.2017 erhob die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Widerspruch gegen diesen Bescheid, über den noch nicht entschieden wurde. Mit einem weiteren Bescheid vom 08.12.2017 lehnte die Bf. die zuvor beantragte Berücksichtigung der erhöhten Miete ab. Es bestünden erhebliche Zweifel, ob der Antragsteller einer ernsthaften Mietforderung ausgesetzt sei. Mit Schreiben vom 05.01.2018 erhob die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Widerspruch gegen diesen Bescheid, über den noch nicht entschieden wurde.

Am 21.12.2017 übersandte der Antragsteller einen Untermietvertrag (handschriftlich ausgefüllt, Formularmietvertrag) vom gleichen Tag für den Zeitraum ab 01.01.2018, nach dem die monatliche Kaltmiete 700 € und die Nebenkostenpauschale 189 € betragen. Zugleich legte er ein Mieterhöhungsverlangen des Vermieters vom 29.11.2017 vor, nach dem die Grundmiete ab 01.02.2018 684,09 € beträgt.

Am 03.01.2018 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht München (SG). Zum Jahreswechsel 2017/2018 sei die Miete für die Wohnung erneut erhöht worden. Ausweislich des dem Antrag beigefügten Untermietvertrages vom 14.12.2017 (Computerausdruck) betrage die Gesamtmiete nunmehr 889,00 Euro (700 Euro Nettokaltmiete zuzüglich Nebenkosten in Höhe von 189 Euro). Der Antragsteller sei nicht in der Lage, mit den bewilligten Leistungen die Miete zu bezahlen. Da er aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes nicht in der Lage sei, in eine andere Wohnung umzuziehen, seien die Mietkosten in voller Höhe von der Antragsgegnerin zu berücksichtigen. An seiner Pflicht zur Zahlung des vereinbarten Mietzinses bestehe kein Zweifel. Diese lasse sich zum einen dem vorgelegten Untermietvertrag entnehmen, zum anderen werde diese durch die Mutter des Antragstellers best...

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