Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Unterkunft und Heizung. tatsächliche Aufwendung. Wirksamkeit eines Mietvertrags unter Verwandten

 

Orientierungssatz

1. Mietzinsforderungen aus Mietverträgen zwischen Angehörigen können grundsätzlich vom Leistungsträger zu übernehmende tatsächliche Aufwendungen für die Unterkunft sein.

2. Voraussetzung ist, dass der Leistungsberechtigte einer nicht dauerhaft gestundeten wirksamen, dh ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt ist, dh es muss ein dahingehender rechtlicher Bindungswille festzustellen sein.

3. Ob ein wirksames Mietverhältnis zwischen Familienangehörigen vorliegt oder ob es sich um ein Scheingeschäft (§ 117 BGB) handelt, beurteilt sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles.

 

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird vorläufig verpflichtet, dem Antragsteller ab 01.01.2018, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung unter Berücksichtigung einer Bruttomonatsmiete von 889,00 Euro zu gewähren.

2. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Berücksichtigung der Kosten der Unterkunft des Antragstellers im Rahmen der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) strittig.

Der 1979 geborene Antragsteller steht bei der Antragsgegnerin im Bezug von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Er leidet an einer psychischen Erkrankung. Er lebt seit dem 01.09.2009 in einer ca. 65 m2 großen Zwei-Zimmer-Wohnung. Diese Wohnung wurde von der Mutter des Antragstellers angemietet. Bis zum 30.11.2012 lebte er zusammen mit seiner Mutter in dieser Wohnung; seitdem bewohnt er diese allein.

Mit Bescheid vom 08.12.2017 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 837,85 Euro für die Zeit vom 01.01.2018 bis 31.12.2018. Hierbei ließ sie die vom Antragsteller geltend gemachten Kosten der Unterkunft unberücksichtigt. Als Grund hierfür wurde angegeben, dass den Antragsteller eine vertragliche Verpflichtung zu einer Zahlung der Miete nicht treffe. Mit Schreiben vom 29.12.2017 erhob die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Widerspruch gegen diesen Bescheid, über den noch nicht entschieden wurde.

Bereits am 26.04.2017 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin erstmals mit, dass die Miete für die Wohnung um 87,30 Euro auf 858,30 Euro erhöht wurde und beantragte die Übernahme höherer Kosten der Unterkunft. Hierbei legte er ein an seine Mutter adressiertes und auf den 24.11.2014 datiertes Schreiben des Vermieters vor, in dem um Zustimmung zu einer entsprechenden Mieterhöhung, die ab 01.02.2015 wirksam werden sollte, gebeten wurde. Die Mutter des Antragstellers stimmte dieser Mieterhöhung am 15.03.2015 zu (vgl. Bl. 426 der Leistungsakte der Antragsgegnerin). Mit Schreiben vom 08.09.2017 legte die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers auf Nachfrage der Antragsgegnerin einen auf den 01.01.2015 datierten Untermietvertrag vor.

Mit einem weiteren Bescheid vom 08.12.2017 lehnte die Antragsgegnerin die zuvor beantragte Berücksichtigung der erhöhten Miete ab. Es bestünden erhebliche Zweifel, ob der Antragsteller einer ernsthaften Mietforderung ausgesetzt sei. Mit Schreiben vom 05.01.2018 erhob die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Widerspruch gegen diesen Bescheid, über den bislang noch nicht entschieden wurde.

Am 03.01.2018 stellte der Antragsteller den hier vorliegenden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Zum Jahreswechsel 2017/2018 sei die Miete für die Wohnung erneut erhöht worden. Ausweislich des aktuellen Untermietvertrages vom 14.12.2017 betrage die Gesamtmiete nunmehr 889,00 Euro (700,00 Euro Nettokaltmiete zuzüglich Nebenkosten in Höhe von 189,00 Euro). Der Antragsteller sei nicht in der Lage, mit den bewilligten Leistungen die Miete zu bezahlen. Da der Antragsteller aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes nicht in der Lage sei, in eine andere Wohnung umzuziehen, seien die Mietkosten in voller Höhe von der Antragsgegnerin zu berücksichtigen. Der gesundheitliche Zustand des Antragstellers sei auch der Grund dafür, dass die Mieterhöhung zum 01.02.2015 erstmals im April 2017 geltend gemacht wurde. An der Pflicht des Antragstellers zur Zahlung des vereinbarten Mietzinses bestehe hingegen kein Zweifel. Diese lasse sich zum einen dem vorgelegten Untermietvertrag entnehmen, zum anderen werde diese durch die Mutter des Antragstellers bestätigt (vgl. Bl. 46 der Gerichtsakte). Demnach bezahle die Mutter des Antragstellers als Hauptmieterin die Miete an ihren Vermieter per Lastschrifteinzug von ihrem Konto, auf das auch die Grundsicherungsleistungen des Antragstellers von der Antragsgegnerin überwiesen und mit der ...

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