Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Kostenerstattungsanspruch für eine Echthaar-Langhaarperücke (hier: verneint). zur Einhaltung des Beschaffungsweges. zur Frage einer Entstellung einer Frau bei bandförmigem Haarverlust im Bereich von Stirn und Schläfen. ausreichender Behinderungsausgleich durch Echthaar-Kurzhaarperücke. Maximalpreise nicht Gegenstand des Klageverfahrens
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Einhaltung des Beschaffungsweges im Rahmen des § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V.
2. Zur Frage einer Entstellung, wenn bei einer Frau kein vollständiger Verlust des Haupthaars vorliegt, sondern eine frontal fibrosierende Alopezie (bandförmiger Haarverlust im Bereich von Stirn und Schläfen).
3. Die von der Klägerin begehrte Versorgung mit einer (asiatischen) Echthaar-Langhaarperücke ist für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht erforderlich; eine vorliegend angebotene Versorgung mit einer (Echthaar-) Kurzhaarperücke zum Vertragspreis stellt einen ausreichenden Behinderungsausgleich dar.
4. Gegenstand des Klageverfahrens sind nicht die in dem zwischen den Vertragspartnern gemäß § 127 SGB V geschlossenen Vertrag vereinbarten Bedingungen wie insbesondere die dort geregelten Maximalpreise.
Orientierungssatz
1. § 13 Abs. 3 S.1 Alt.2 SGB V setzt eine Kausalität zwischen Ablehnung und Kostenentstehung voraus. Ein Kausalzusammenhang und damit eine Kostenerstattung scheiden aus, wenn der Versicherte sich die streitige Leistung außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges selbst besorgt, ohne sich vorher mit seiner Krankenkasse ins Benehmen zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten.
2. Leidet eine Frau an einem bandförmigen Haarverlust im Bereich von Stirn und Schläfen kann, auch wenn damit eine vollständige Kahlköpfigkeit nicht gegeben und ein Kaschieren mit einem breiten Stirnband möglich ist, eine Entstellung gegeben sein.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 20. Februar 2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten für eine Perückenversorgung.
Die 1964 geborene Klägerin und Berufungsklägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Mit Schreiben vom 29.04.2016 übermittelte die Firma "H.", K-Stadt, einen Kostenvoranschlag für die Neulieferung einer Perücke zum Preis von 905,11 Euro. Beigelegt war eine ärztliche Verordnung des Hausarztes Dr. B. über eine Echthaarperücke bei frontal fibrosierender Alopezie, Langzeitträger.
Mit Bescheid vom 02.05.2016 teilte die Beklagte mit, die Kosten würden übernommen. Die Klägerin wurde weiter darüber informiert, dass sie die Mehrkosten einer höherwertigen Versorgung selbst zahlen müsse und hierfür eine Privatrechnung vom Lieferanten erhalten würde. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erhob mit Schreiben vom 31.05.2016 Widerspruch, den er trotz mehrfacher Aufforderung zunächst nicht begründete. Mit Schreiben vom 22.06.2017 teilte er mit, die Klägerin hätte sich bereits in der Vorauswahl für einen Haarersatz zum Preis von 1.845,- Euro interessiert, der Kostenvoranschlag des Lieferanten sei unrichtig. Der Widerspruch werde zurückgenommen und auf der Grundlage der beigelegten Rechnung ein Antrag gemäß § 44 SGB X auf Neuverbescheidung und Übernahme der insgesamt angefallenen Kosten gestellt. Beigelegt war eine an die Klägerin gerichtete Rechnung des Z. A. vom 20.05.2016 über eine Echthaar-Perücke inklusive Anpassung zum Preis von 1.845,- Euro. Abzüglich des Kostenanteils der Krankenkasse betrug der Rechnungsbetrag 939,89 Euro.
Die Leistungserbringerin teilte der Beklagten mit, bei der gelieferten Perücke handle es sich um ein Echthaar-Langhaarmodell, handgeknüpft und Monofilament. Zum Vertragspreis hätte ein Echthaarperückenmodell im Kurzhaarbereich geliefert werden können. Dies habe nicht dem Wunsch der Klägerin entsprochen. Die Klägerin sei mündlich über die Mehrkosten informiert worden. Sie habe bereits am 07.05.2015 das gleiche Modell zum selben Preis erhalten.
Mit Schreiben vom 21.07.2017 teilte die Beklagte mit, der hohe Preis der Perücke sei allein aufgrund der Sonderwünsche der Klägerin zustande gekommen, diese könnten nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden. Es werde um Mitteilung gebeten, ob der Widerspruch aufrechterhalten werde. Der Bevollmächtigte teilte mit, an dem Widerspruch werde festgehalten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2018 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 02.05.2016 zurückgewiesen. Hilfsmittel dürften nur auf Grundlage von Verträgen nach § 127 SGB V abgegeben werden.
Vertragspartner könnten nur Leistungserbringer sein, die die Voraussetzungen des § 126 SGB V erfüllten. Bei der in Anspruch genommenen Leistungserbringerin handle es sich um einen Vertragspartner nach § 126 i.V.m. § 127 SGB V. Entsprechend der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Ersatzkassen und dem Bundesverband der Zweithaareinzelhändler und ze...