Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht: Kostenübernahme für eine implantatgestützte zahnprothetische Versorgung
Leitsatz (amtlich)
Zur zahnprothetischen Behandlung inklusive Implantatversorgung bei versorgungsrechtlicher Heilbehandlung, auch unter dem Gesichtspunkt des Härteausgleichs.
Orientierungssatz
1. Der Umfang der Heilbehandlung nach dem BVG, der auch zahnärztliche Behandlung und Zahnersatz umfasst, folgt den Vorgaben des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung, soweit nicht im BVG Abweichendes geregelt ist.
2. Gegen eine Anwendung der Härtefallregelung spricht, dass eine Erweiterung des Leistungskatalogs im Wege des § 89 BVG über den Umfang, wie er in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgegeben ist, dazu führen könnte, dass damit die grundlegenden Vorschriften des Versorgungsrechts ausgehöhlt oder umgangen würden. Denn mit § 11 Abs. 1 Satz 2 BVG hat der Gesetzgeber die grundlegende Entscheidung getroffen, dass der Umfang der Heilbehandlung eines Versorgungsberechtigten dem entspricht, wie er auch für ein Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung der Fall wäre.
3. Allein eine besondere Bedürftigkeit im Sinne einer materiellen Not kann eine besondere Härte im Sinne von § 89 Abs. 1 BVG nicht begründen (ebenso LSG München, 25. September 2014, L 15 VK 6/12).
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.10.2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Rahmen der Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz vom Beklagten die vollständige Kostenübernahme für eine zahnprothetische Behandlung inklusive Implantatversorgung.
Der 1958 geborene Kläger befand sich in der Zeit vom 10.04.1986 bis 20.05.1987 in verschiedenen Haftanstalten der DDR in Strafhaft (M., C. bzw. K.). Im Anschluss an die Haftzeit wurde er in die Bundesrepublik Deutschland entlassen. Mit Bescheinigung vom 08.12.1987 nach § 10 Abs. 4 HHG wurde dem Kläger bescheinigt, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HHG und des § 9 Abs. 1 HHG vorlägen und Ausschließungsgründe nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HHG nicht gegeben seien. Mit Beschluss des Landgerichts Magdeburg vom 21.06.1995 wurde der Kläger für die Haftzeit vom 10.04.1986 bis 20.05.1987 strafrechtlich gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1d) StrRehaG rehabilitiert.
Mit Teilabhilfebescheid vom 31.01.2014 - aufgrund des Widerspruchs des Klägers gegen den Bescheid des Beklagten vom 04.01.2012 - erkannte der Beklagte beim Kläger folgende Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung im Sinne § 21 Abs. 1 StrRehaG an:
Posttraumatische Belastungsstörung (im Sinne der Entstehung). Der GdS betrage 50. Der Anspruch bestehe ab dem 01.11.2009.
Weiter streitig blieben im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 04.01.2012 der Beginn der Versorgung sowie die Anerkennung eines haftbedingten Zahnverlustes als Schädigungsfolge.
Mit Schreiben vom 17.04.2016 beantragte die gesetzliche Betreuerin des Klägers, Frau C., beim Beklagten die Kostenübernahme für eine Zahnersatzbehandlung beim Kläger durch den Zahnarzt M.. Bei der beantragten Maßnahme dürfte es sich um die Implantatversorgung des klägerischen Oberkiefers laut Heil- und Kostenplan vom 05.02.2016 samt Anlage ebenfalls vom 05.02.2016 (3.341,74 €) sowie um eine darauf basierende zahnprothetische Versorgung des klägerischen Oberkiefers laut Heil- und Kostenplan vom 02.02.2016 (9.411,45 €) handeln.
Am 06.07.2016 erstellte der Zahnarzt B. für den Beklagten eine gutachterliche Stellungnahme über den Kläger. Laut Zahnarzt B. handele es sich bei dem Behandlungsplan von Zahnarzt M. um einen Mischfall zwischen gleichartiger und andersartige Versorgung. Im vorliegenden Fall wäre die Regelversorgung im Oberkiefer die Überkronung der vier Oberkieferfrontzähne 12, 11, 21, 22 mit vestibulär verblendeten Metallkronen und eine Modellgussprothese, die mit Klammern am Restzahnbestand verankert sei. Die Regelversorgung sei im Hinblick auf die Lebenserwartung kritisch zu sehen. Auf Dauer sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einer Lockerung oder einem Abbrechen der Klammerzähne und einem unbefriedigenden Sitz der Modellgussprothese zu rechnen. Dann sei der Weg zur Totalprothese im Oberkiefer nicht mehr weit. Im Hinblick auf eine langfristige Versorgung sei also der Zahnersatzplan von Zahnarzt M. grundsätzlich zu befürworten. Allerdings läge beim Kläger keine der Bedingungen für eine Ausnahmeindikation für Implantate zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung vor. Im Unterkiefer bestehe kein Behandlungsbedarf.
Für drei während der Haft extrahierte Zähne und drei unmittelbar nach der Haft gezogene Zähne komme sowohl eine Anerkennung als Schädigungsfolge im Sinne einer Verschlimmerung als auch eine Anerkennung ursächlich wesentlich durch die Haft bedingt infrage. Um welche Zähne es sich genau handele, könne aufgrund der dürftigen Aktenlage nicht mehr rekonstruiert werden.
Der GdS im Zahnbereich sei ohne ...