Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Begriff der eheähnlichen bzw. partnerschaftlichen Gemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
Positive Feststellung des Vorliegens einer eheähnlichen Gemeinschaft.
Orientierungssatz
Der Begriff der eheähnlichen bzw. partnerschaftlichen Gemeinschaft ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Eine Partnerschaft in diesem Sinne ist die Verbindung zweier Personen, wenn sie auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt (vgl. dazu auch BSG, 23. August 2012, B 4 AS 34/12 R) und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründet, also über die Beziehung einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht (vgl BVerfG, 17. November 1992, 1 BvL 8/87, BSG, 29. April 1998, B 7 AL 56/97 R). Ob eine Partnerschaft vorliegt, ist anhand einer Gesamtwürdigung von Hinweistatsachen zu beurteilen.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 19.09.2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Nach einem Umzug von A-Stadt nach B-Stadt beantragte die Antragstellerin (ASt) am 06.10.2010 beim Antragsgegner (Ag) Alg II für sich und ihren 1996 geborenen Sohn P. A. (PS). Mit dem Antrag wurde u.a. auch ein Mietvertrag vom 08.07.2010 bezüglich der Anmietung einer 3-Zimmer-Wohnung vorgelegt. Mit dem Vermieter, Herr K. N.. (N.), hatte die ASt eine gemeinsame Tochter, die im März 2010 verstarb. Er ist auch Vater des am 08.03.2011 geborenen, gemeinsamen Sohn P. N.. (PN).
Der Ag beauftragte darauf den Außendienst mit den Ermittlungen der Wohnverhältnisse der ASt. Sie habe angegeben mit N. nicht liiert zu sein, sondern lediglich eine abgeschlossene Wohnung im gleichen Haus zu bewohnen. In seinem Bericht vom 06.12.2010 hielt der Außendienstmitarbeiter fest, das Haus sei in mehrere Wohnungen aufgeteilt. An einem der Briefkästen sei der Name "B. A." angebracht; ein Türschild mit dem Namen der ASt fehle. Man habe zunächst nur PS in der Wohnung des N. angetroffen. Auch bei einem Anruf beim Anschluss von N. habe sich PS gemeldet. Bei einem weiteren Besuch habe man festgestellt, dass zwischenzeitlich eine Klingel mit "A." angebracht worden sei, geöffnet habe aber niemand. Auf ein Klingeln bei N. habe die ASt geöffnet. Sie habe angegeben, N. seit 2006 zu kennen. Wegen der erneuten Schwangerschaft von N. sei sie nach B-Stadt umgezogen und bewohne seitdem dessen Wohnung. Auch ihre Zahnbürste und Kleidung würden sich dort befinden. In der Erdgeschosswohnung (EG-Wohnung) befänden sich ihre Möbel aus der alten Wohnung sowie Kleidungsstücke. Wegen einiger Mängel werde sie noch nicht bewohnt. Dort seien auch Umzugskartons zum Teil noch nicht ausgepackt. PS habe sein Zimmer in der EG-Wohnung, halte sich wegen des Fernsehers aber meist in der Wohnung von N. auf. Die ASt sei während des Gesprächs mehrmals in die Küche der Wohnung von N. gegangen, wo sie Essen gekocht habe. Nach der Inaugenscheinnahme der EG-Wohnung sei nur das Kinderzimmer von PS bewohnbar, während die weiteren Räume mit Umzugskartons und Möbelteilen verstellt gewesen seien. Mittig in der Wohnung sei ein Arbeitszimmer/Büro eingerichtet, wo sich auch Ordner mit dem aufgedruckten Namen "N." befunden hätten. Die ASt habe abschließend geäußert, sie verzichte wegen der noch nicht bezugsfertigen Wohnung auf eine Mietzahlung durch den Ag.
Im Weiteren gab die ASt gegenüber dem Ag an, sie koche derzeit in der Küche "ihres Freundes", da ihr Cerankochfeld kaputtgegangen sei. Sie lebe weder in einer Wirtschafts- noch in einer Haushaltsgemeinschaft mit N.. Sie verfüge über eine eigene Wohnung, in der sie auch lebe. Wegen der bestehenden Risikoschwangerschaft habe sie ihre Umzugskartons noch nicht ausgeräumt. Sie müsse auch alle ihre Kosten (Unterkunftskosten, Versicherungen, Kosten für PS, Autokosten, Nahrungsmittel, Hygieneartikel, etc.) tragen. Sie legte zudem Kontoauszüge über Mietzahlungen für September und Oktober 2010 und weitere Kontoauszüge für die Zeit vom 05.08.2010 bis 05.11.2010 vor.
Mit Bescheid vom 30.12.2010 lehnte der Ag eine Leistungsgewährung ab. Die Indizien für das Bestehen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft mit N. seien nicht widerlegt und auch keine Nachweise über dessen Einkommen und Vermögen vorgelegt worden. Es sei deshalb von ausreichendem Einkommen zur Bestreitung des Lebensunterhaltes auszugehen. Mit dem dagegen gerichteten Widerspruch trug die ASt vor, der Umzug sei nur deshalb erfolgt, damit das Kind seinen Vater öfter sehen könne. Sie wohne in der abgeschlossenen EG-Wohnung. Zuvor habe sie N. versichern müssen, dass sie alle ihre und PS‚s Kosten selbst trage. Sie müsse sich ständig bei einer Freundin Geld leihen. D...