Leitsatz (amtlich)
Wegen einstweiliger Anordnung
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1) wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 28. Februar 2011 dahingehend abgeändert, dass der Antragsgegner zu 2) vorläufig verpflichtet wird, dem Antragsteller ab Antragstellung die Kosten der häuslichen Krankenpflege im Rahmen von vertragsärztlichen Verordnungen für das Setzen der Insulininjektionen (viermal täglich, siebenmal wöchentlich) nebst Bestimmung des Blutzuckers (viermal täglich, siebenmal wöchentlich) im Wohnheim der Lebenshilfe A-Stadt e.V., A.-Str. A-Stadt, bis zum Abschluss des sozialgerichtlichen Klageverfahrens zu erbringen.
II. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt J. G., B-Straße, A-Stadt, beigeordnet.
III. Der Antragsgegner zu 2) trägt die Kosten des Antrags- und Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die vorläufige Übernahme von Leistungen der häuslichen Krankenpflege (Behandlungspflege) für Blutzuckermessungen und Injektionen streitig.
Der 1942 geborene Antragsteller (Ast), Versicherter bei der Antragsgegnerin zu 1) - Ag zu 1 -, ist in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen nach § 43a Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) untergebracht. Die Lebenshilfe A-Stadt e.V. ist Träger der Einrichtung. Die Kosten der Unterbringung trägt der Antragsgegner zu 2) im Rahmen der Eingliederungshilfe (§§ 54 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Der Ast leidet unter anderem an insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ II.
Gemäß ärztlicher Verordnung wurde die Kostenübernahme von häuslicher Krankenpflege in Form von Blutzuckermessungen viermal täglich, siebenmal wöchentlich und Injektionen einmal täglich, siebenmal wöchentlich beantragt. Mit Bescheid vom 26.11.2010 lehnte die Ag zu 1) die beantragte Kostenübernahme für Blutzuckermessungen und Injektionen ab, da die Kosten der medizinischen Behandlungspflege bereits in der Aufenthaltsabgeltung nach § 43a SGB XI beinhaltet seien.
Der dagegen erhobene Widerspruch wurde vom Betreuer des Ast damit begründet, die Kosten für die Blutzuckermessung und Injektionsgabe seien nicht durch die Aufenthaltsabgeltung abgegolten. Nach § 237 Abs.2 Satz 3 SGB V seien für Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 SGB XI nur ausnahmsweise bei besonders hohem Bedarf an medizinischer Behandlungspflege die Kosten von der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen. Hier handle es sich jedoch nicht um eine Pflegeeinrichtung im Sinne des § 43 SGB XI, sondern um eine vollstationäre Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen gemäß § 43a SGB XI. Das LSG Hamburg habe in seinem Beschluss vom 12.11.2009 - L 1 B 202/09 ER KR - entschieden, dass Versicherte auch Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 Abs.2 Satz 1 SGB V hätten, wenn sie in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe lebten. Eine stationäre Wohneinrichtung sei dann ein geeigneter Ort im Sinne des § 37 Abs.2 Satz 1 SGB V, wenn der Versicherte keinen Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger habe. Der Ast habe gegen den Träger der Einrichtung - Lebenshilfe A-Stadt e.V. - nach den bestehenden Leistungsvereinbarungen und dem Wohnheimvertrag keinen solchen Anspruch auf Behandlungspflege. Daher habe die Ag zu 1) die Kosten für die beantragten Blutzuckermessungen und Injektionen von derzeit monatlich ca. 1.200,00 EUR zu tragen.
Die vorangegangenen Anträge für die Zeiträume 26.09.2010 bis 31.12.2010 und 07.10.2010 bis 31.12.2010 wurden von der Ag zu 1) mit Widerspruchsbescheiden vom 02.02.2011 zurückgewiesen. Die dagegen erhobenen Klagen sind beim Sozialgericht München (SG) unter den Aktenzeichen S 29 KR 222/11 und S 29 KR 223/11 anhängig.
Mit Schriftsatz vom 24.02.2011 beantragte der Bevollmächtigte des Ast unter Vorlage diverser Unterlagen den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Ag zu 1) und der Ag zu 2) seien zu verpflichten, im Wege der einstweiligen Anordnung, vorläufig die Kosten für viermal täglich Blutzuckermessung, siebenmal wöchentlich und viermal täglich Insulininjektionen, siebenmal wöchentlich zu übernehmen.
Mit Beschluss vom 28.02.2011 hat das SG die Ag zu 1) einstweilen verpflichtet, dem Ast ab Antragstellung die Kosten der häuslichen Krankenpflege im Rahmen der vertragsärztlichen Verordnung über das Setzen der Insulininjektionen nebst Bestimmung des Blutzuckers gemäß vertragsärztlicher Verordnung im Wohnheim der Lebenshilfe A-Stadt e.V. zu erbringen. Im Übrigen hat es den Antrag abgewiesen.
Nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens sei unter Beachtung der ärztlichen Verordnungen davon auszugehen, dass der Ast die verordneten Maßnahmen der Behandlungspflege wegen seines Diabetes bedürfe, sie jedoch nicht selber durchführen könne. Im Übrigen sei nicht erkennbar, dass der Ag zu 2) auf Grund der geschlossenen Verträge oder sonstiger Rechtsgrundlagen dazu verpflichtet wäre, dem Ast Behandlungspflege zu leisten. Eine Verpflichtun...