Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Verfahrensfortführung nach erfolgreicher Anhörungsrüge
Leitsatz (amtlich)
Nach einer zulässigen und begründeten Anhörungsrüge wird das gerügte Verfahren fortgeführt und neu entschieden. Wenn und soweit die gerügte Entscheidung nicht richtig war, ist sie gemäß § 178a Abs. 5 Satz 4 SGG i.V.m. § 343 Satz 2 ZPO aufzuheben und richtig zu entscheiden.
Tenor
I. Auf die Anhörungsrüge wird der Beschluss vom 22. August 2014 aufgehoben und das Beschwerdeverfahren L 7 AS 552/14 B ER fortgeführt.
II. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung gewährt und Rechtsanwalt Dr. P. beigeordnet.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich mit der Anhörungsrüge gegen einen Beschluss, mit dem seine Beschwerde gegen die sozialgerichtliche Ablehnung eines Eilantrags wegen höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II zurückgewiesen wurde.
Zunächst wurde dem Antragsteller mit Bescheid des Antragsgegners vom 25.02.2014 Arbeitslosengeld II für die Zeit von 01.03.2014 bis 31.08.2014 in Höhe von monatlich 899,35 Euro bewilligt. Dabei wurde die tatsächliche Wohnungsmiete von 588,35 Euro als Bedarf berücksichtigt. Mit Änderungsbescheid vom 10.04.2014 wurde die Bewilligung für die Zeit vom 01.05.2014 bis 31.08.2014 auf monatlich 567,17 Euro herabgesetzt. Dabei wurden nur mehr 90 % des vollen Regelbedarfs und die halbe Miete berücksichtigt. Der Bescheid vom 25.02.2014 werde insoweit aufgehoben. Es werde weiterhin davon ausgegangen, dass Frau C. beim Antragsteller wohne. Dieser Änderungsbescheid enthält keine Rechtsbehelfsbelehrung.
Den am 11.06.2014 gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz lehnte das Sozialgericht München mit Beschluss vom 25.06.2014 ab. Gegen den Bescheid vom 10.04.2014 sei kein Widerspruch eingelegt worden. Der Eilantrag sei für Leistungen für die Zeit von Mai bis August 2014 unzulässig.
Am 16.07.2014 hat der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt und zugleich Prozesskostenhilfe beantragt. Eine Begründung werde nachgereicht. Mit Schreiben vom 11.08.2014 hat das Beschwerdegericht dem Antragsteller ein Schreiben des Antragsgegners zur Stellungnahme bis 27.08.2014 übermittelt. Nachdem der Antragsgegner am 20.08.2014 bestätigte, dass gegen den Bescheid vom 10.04.2014 kein Widerspruch eingereicht worden ist, hat das Landessozialgericht die Beschwerde mit Beschluss vom 22.08.2014 zurückgewiesen und Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der Beschwerde abgelehnt.
Am 25.08.2014 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.04.2014 eingelegt. Es seien höhere Leistungen zu gewähren. Frau C. sei im August 2013 ausgezogen und habe zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht beim Antragsteller gewohnt.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat am 25.08.2014 Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 22.08.2014 erhoben. Durch die Entscheidung vor Ablauf der gesetzten Frist sei der Antragsteller gehindert worden, den wegen fehlender Rechtsbehelfsbelehrung rechtzeitigen Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.04.2014 geltend zu machen. Nach dem Vortrag des Antragstellers sei Frau C. bereits am 18.01.2014 oder 19.01.2014 ausgereist. Der Antragsgegner hat kurzfristig Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen.
II.
Die Anhörungsrüge ist zulässig und begründet. Das Beschwerdeverfahren L 7 AS 552/14 B ER ist fortzuführen. Der gerügte Beschluss vom 22.08.2014 wird gemäß § 178a Abs. 5 Satz 4 SGG i. V. m. § 343 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) aufgehoben.
Die Anhörungsrüge ist gemäß § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, weil gegen den Beschluss vom 22.08.2014 wegen § 177 SGG kein anderer Rechtsbehelf gegeben ist. Sie wurde gemäß § 178a Abs. 2 SGG schriftlich und innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Beschlusses vom 22.08.2014 erhoben. Die angegriffene Entscheidung wurde bezeichnet und das Vorliegen der in § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG genannten Voraussetzungen dargelegt.
Die Anhörungsrüge ist auch begründet, weil das Gericht den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs besagt, dass der Beteiligte zum jeweiligen Verfahren herangezogen werden und Gelegenheit haben muss, sich vor Erlass der Entscheidung zum Prozessstoff zu äußern und gehört zu werden (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, § 62 Rn. 2). Für die Entscheidungserheblichkeit genügt, dass die Möglichkeit bestanden hat, dass die gerügte Entscheidung für den betroffenen Beteiligten günstiger ausgefallen wäre.
Der Antragsteller konnte aufgrund der gerichtlichen Terminvorgabe davon ausgehen, dass er bis zum 27.08.2014 Gelegenheit hat, zum Beschwerdeverfahren vorzutragen und dass bis dahin keine abschließende Entscheidung ergehen wird. Durch den Beschluss vom 22.08.2014 wurde dem Antragsteller die Möglichkeit genommen, Widerspruch gegen den mangels Rechtsbehelfsbe...