Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Besetzung des Gerichts bei einer Entscheidung über eine Gegenvorstellung und einen Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Über eine Gegenvorstellung gegen ein in mündlicher Verhandlung ergangenes Urteil ist, in der für den Erlass eines Urteils vorgeschriebenen Besetzung der Richterbank, also unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss zu entscheiden.

2. Auch über einen Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter zu entscheiden.

 

Tenor

I. Die Gegenvorstellung vom 7. November 2016 gegen das Urteil vom 29. September 2016 wird zurückgewiesen.

II. Der Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Verfahren L 1 R 673/13 wird abgelehnt.

III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Klägerin ist die Witwe des am 11.02.2010 verstorbenen Versicherten Dr. A.. Streitig war im Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen L 1 R 673/13 zwischen den Beteiligten die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit der Teilaufhebung eines Rentenbescheids und der Rückforderung überzahlter Rentenleistungen nach dem Tod des Versicherten.

Gegenstand des Verfahrens war neben dem noch gegenüber dem verstorbenen Ehemann der Klägerin ergangenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10.08.2009 der gegenüber der Klägerin ergangene Rückforderungsbescheid vom 27.07.2011, beide Bescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2011. Ein früherer Widerspruchsbescheid vom 27.12.2010 ist in einem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Regensburg (Aktenzeichen S 10 R 4021/11) aufgehoben worden, worauf die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hat. Mit Urteil vom 22.05.2011 hat anschließend das Sozialgericht Regensburg die gegen die Bescheide vom 10.08.2009 und 27.07.1011 gerichtete Klage abgewiesen. Es hat insbesondere darauf abgestellt, dass auch der noch gegenüber dem verstorbenen Ehemann der Klägerin ergangene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10.08.2009 wirksam ergangen sei.

Im Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht hat die Klägerin an ihrer Auffassung festgehalten, dass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10.08.2009 keine wirksame Grundlage für eine Rückforderung darstellen könne. Da ihr verstorbener Ehemann bereits damals geschäftsunfähig gewesen sei, habe ihm gegenüber der Bescheid nicht mehr wirksam bekanntgegeben werden können.

Nach mündlicher Verhandlung vor dem Senat ist am 29.09.2016 ein Urteil ergangen, mit dem die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 22.05.2013 zurückgewiesen worden ist. Das Urteil ist nach Schluss der mündlichen Verhandlung und geheimer Beratung durch Verlesen der Urteilsformel verkündet worden. Es ist der Klägerin über ihren Bevollmächtigten am 17.11.2016 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 04.11.2016, eingegangen beim Landessozialgericht am 07.11.2017, hat die Klägerin Gegenvorstellung erhoben und Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gestellt. Zur Begründung hat sie an ihrer Auffassung festgehalten, dass der Bescheid vom 10.08.2009 aufgrund der Geschäftsunfähigkeit ihres verstorbenen Mannes nicht wirksam bekannt gegeben worden und daher unheilbar nichtig sei. Die Beklagte habe, indem sie den Rechtsstreit nach der Erledigterklärung des früheren Klageverfahrens weiterverfolgt habe, arglistig gehandelt. In einem rechtsstaatlichen Verfahren bestimme allein der Kläger durch seinen Antrag den Streitgegenstand.

Außerdem hat die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil vom 29.09.2016 Beschwerde zum Bundessozialgericht erhoben, die mit Beschluss vom 20.06.2017 als unzulässig verworfen worden ist (Aktenzeichen B 5 R 382/16 B). Die Klägerin hat im Beschwerdeverfahren eine Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz gerügt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Berufungsakte Bezug genommen.

II.

1.

Die Gegenvorstellung der Klägerin gegen das Urteil des Senats vom 29.09.2016 ist zurückzuweisen. Sie ist bereits nicht statthaft.

Über diesen im Gesetz nicht vorgesehenen Antrag, der darauf abzielt, der Senat solle sein im förmlichen Rechtsmittelverfahren nicht mehr abänderbares Urteil vom 29.09.2016 aufheben, ist in der für den Erlass eines Urteils vorgeschriebenen Besetzung der Richterbank, also unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter zu entscheiden, weil das Gesetz die Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter nicht ausschließt, und die Klägerin das rechtliche Gegenstück zum Erlass eines Urteils, nämlich dessen Aufhebung durch dasselbe Gericht begehrt (§§ 40 Satz 1, 33 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Gleichwohl darf der Senat gemäß §§ 153 Abs. 1, 142 Abs. 1 SGG durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil eine Gegenvorstellung kein das abgeschlossene Berufungsverfahren erneut eröffnendes Rechtsmittel und auch kein Wiederaufnahme...

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