Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. verfrühte Stellung eines Antrags auf Anhörung eines bestimmten Arztes. Prüfungspflicht des Gerichts. Versäumung der Pflicht. Entscheidung über Antrag auf Übernahme der Kosten für das nach § 109 SGG eingeholte Gutachten durch die Staatskasse
Leitsatz (amtlich)
1. Auch wenn ein Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG bereits vor Entscheidung über die Aufnahme von Amts wegen vorzunehmender Ermittlungen durch das Gericht vorbehaltlos und unbedingt gestellt wird, hat das Gericht vorrangig zu prüfen, ob es von Amts wegen weitere Ermittlungen, insbesondere die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen gemäß §§ 103, 106 SGG, für erforderlich hält (BSG vom 23.9.1997 - 2 BU 177/97 = SozR 3-1500 § 109 Nr 2 = NZS 1998, 302, RdNr 7 bei juris).
2. Versäumt das Gericht diese Pflicht, kann es den Antrag, die Kosten des Gutachtens nach § 109 Abs 1 S 2 SGG der Staatskasse aufzuerlegen, nicht allein mit der Begründung ablehnen, dass der Kläger das Gutachten beantragt habe, ohne zuvor den Abschluss der von Amts wegen vorzunehmenden Ermittlungen durch das Gericht abzuwarten.
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 18.05.2017 insoweit abgeändert, als die vom Kläger verauslagten notwendigen Kosten für das gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholte Gutachten des Prof. Dr. Dr. N. vom 12.05.2016 von der Staatskasse übernommen werden.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 18.05.2017 zurückgewiesen.
III. Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer ein Drittel seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beschwerde betrifft die Kostenübernahme für die auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom Sozialgericht (SG) Regensburg eingeholten Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. L., PD Dr. A. und Prof. Dr. Dr. N..
Streitgegenständlich war im Hauptsacheverfahren des SG Regensburg (Az. S 11 SB 695/13) der Anspruch des Klägers nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), einen höheren Grad der Behinderung (GdB) als 30 festzustellen.
Seitens des ZBFS war dem Kläger ein GdB von 30 zuerkannt worden, der laut Widerspruchsbescheid vom 11.09.2013 mit folgenden Gesundheitsstörungen begründet worden war:
1. seelische Störung: Einzel-GdB 30
2. Migräne: Einzel-GdB 10
3. chronische Nebenhöhlenentzündung: Einzel-GdB 10
4. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, Wirbelsäulenverformung: Einzel-GdB 10
In der Klagebegründung vom 17.10.2013 hat der Kläger, der selbst Rechtsanwalt ist, als Beweismittel verschiedene Zeugen bezeichnet und im Übrigen im Anschluss an mehrere Tatsachenbehauptungen jeweils "Sachverständigengutachten" und "Sachverständigengutachten § 109 SGG" angegeben.
Mit Schreiben vom 22.10.2013 hat das Gericht dem Kläger die von ihm erbetenen Verwaltungsakten zur Einsicht übersandt und gleichzeitig unter Bezugnahme auf seinen Schriftsatz vom 17.10.2013 um Mitteilung gebeten, bei welchem Sachverständigen (genaue Anschrift) ein Gutachten nach § 109 SGG eingeholt werden solle.
Daraufhin hat der Kläger mit Schreiben vom 06.11.2013 als Gutachter nach § 109 Abs. 1 SGG Prof. Dr. O. von der Neurologischen Klinik am Klinikum B. benannt. Das Gericht hat hierfür am 07.11.2013 einen Kostenvorschuss von 3000 € angefordert, den der Kläger eingezahlt hat.
Mit Schreiben vom 22.12.2013 hat der Kläger einen massiven Schmerzanfall aus dem Bereich der Brustwirbelsäule geschildert und hierfür seine Lebensgefährtin als Zeugin benannt. Weiter hat er eine massive Erosion von Zahnschmelz infolge von Bruxismus geltend gemacht und darauf hingewiesen, dass er unter diesem kosmetischen Mangel auch psychisch leide. In der Folgezeit hat der Kläger wiederholt Schriftsätze eingereicht und auf seine vielfältigen Beschwerden unter anderem im Bereich der Wirbelsäule, der Psyche sowie durch Migräne-Attacken hingewiesen, er hat hierzu Heilmittelverordnungen und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt und beantragt, Befundberichte der behandelnden Ärzte einzuholen. Das SG hat verschiedene Befundberichte eingeholt.
Mit Schreiben vom 21.02.2014 hat der Kläger im Hinblick auf seine Wirbelsäulenleiden die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG von Dr. C. W., Fachärztin für physikalische und rehabilitative Medizin, beantragt.
Mit Beweisanordnung vom 25.02.2014 hat das SG Dr. W. nach § 109 SGG zur Sachverständigen ernannt und mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Nachdem Dr. W. die Übernahme des Gutachtens abgelehnt hatte, hat der Kläger mit Schreiben vom 26.03.2014 anstelle von Frau Dr. W. auf orthopädischem Fachgebiet PD Dr. F. R. A. als Sachverständigen nach § 109 SGG benannt und im Übrigen an seinen Antrag vom 06.11.2013 auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet durch Prof. Dr. O. erinnert.
Das Gericht hat am 27.03....