Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Entschädigung von Verfahrensbeteiligten für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen. Zulässigkeit der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bei Versäumnis der Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen wegen Fristunkenntnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 2 Abs. 2 JVEG sieht nur eine Wiedereinsetzung auf Antrag vor.

2. Eine Unkenntnis von einzuhaltenden gesetzlichen Fristen kann wegen des Grundsatzes der formellen Publizität eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht begründen.

3. Mit der nicht erfüllten Erwartung, nochmals zu einem gerichtlichen Termin herangezogen zu werden und dadurch gem. § 2 Abs. 1 Satz 3 JVEG eine Verlängerung der Antragsfrist zu erhalten, kann eine Wiedereinsetzung regelmäßig nicht begründet werden.

 

Tenor

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Geltendmachung der Entschädigung für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am 13.03.2014 wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob der Antragstellerin für die Geltendmachung der Entschädigung für die Teilnahme an einem Gerichtstermin Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) zu gewähren ist.

Im Berufungsverfahren der Antragstellerin vor dem Bayer. Landessozialgericht (LSG) mit dem Aktenzeichen L 9 AL 46/11 nahm die Antragstellerin nach Anordnung des persönlichen Erscheinens an der mündlichen Verhandlung am 13.03.2014 teil. In der mündlichen Verhandlung nahm sie die Berufung zurück. Mit Schreiben vom 14.03.2014 erklärte sie den "Widerruf" der Berufungsrücknahme. Dieser Widerruf ist Gegenstand des Verfahrens mit dem Aktenzeichen L 9 AL 82/14.

Mit auf den 10.06.2014 datiertem Antrag, beim LSG eingegangen am 17.07.2014, machte die Antragstellerin Verdienstausfall und Fahrtkosten wegen des Gerichtstermins vom 13.03.2014 geltend.

Die Kostenbeamtin teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 18.07.2014 dazu mit, dass der Entschädigungsanspruch wegen der dreimonatigen Antragsfrist des § 2 Abs. 1 JVEG erloschen sei.

Mit am 01.08.2014 beim LSG eingegangenem Schreiben vom 30.07.2014 hat die Antragstellerin die Wiedereinsetzung wegen der Entschädigung für den Gerichtstermin am 13.03.2014 beantragt. Sie hat sinngemäß vorgetragen, dass ihr wegen ihres Widerrufs der Berufungsrücknahme die Fortsetzung des Verfahrens mitgeteilt worden sei und sie daher den Entschädigungsantrag zunächst zurückgestellt habe. Sie bitte, die verspätete Antragstellung zu entschuldigen.

Auf das gerichtliche Schreiben vom 02.10.2014, mit dem die Antragstellerin über die fehlenden Erfolgsaussichten ihres Antrags auf Wiedereinsetzung aufgeklärt worden ist, ist keine Reaktion erfolgt.

II.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Entschädigung für die Teilnahme am Gerichtstermin vom 13.03.2014, über den nicht der Kostenbeamte, sondern gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG das Gericht zu entscheiden hat, ist abzulehnen. Denn ein Wiedereinsetzungsgrund ist von der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht worden bzw. liegt nicht vor.

1. Anzuwendende Fassung des JVEG

Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl I S. 2586, 2681 ff.) gemäß der Übergangsvorschrift des § 24 JVEG die Regelungen des JVEG in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung. Denn die Antragstellerin als Berechtigte ist nach dem gemäß Art. 55 2. KostRMoG am 01.08.2013 erfolgten Inkrafttreten des 2. KostRMoG herangezogen worden.

2. Entschädigungsantrag zu spät gestellt

Der Entschädigungsanspruch war bereits erloschen, als der Entschädigungsantrag für das Erscheinen beim Gerichtstermin vom 13.03.2014 am 17.08.2014 beim Bayer. LSG einging.

Der Anspruch auf Entschädigung erlischt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG, wenn er nicht binnen drei Monaten bei der Stelle geltend gemacht wird, die den Berechtigten herangezogen oder beauftragt hat. Die Frist beginnt entsprechend § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 JVEG im Falle der Teilnahme an einem vom Gericht angeordneten Termin mit der Beendigung dieses Termins zu laufen. Lediglich dann, wenn der Berechtigte in demselben Verfahren, im gerichtlichen Verfahren in demselben Rechtszug, mehrfach herangezogen wird, ist für den Beginn aller Fristen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 JVEG die letzte Heranziehung maßgebend.

Maßgeblich für den Zeitpunkt der Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs ist der Eingang des Antrags bei Gericht, nicht die Datierung des Antrags durch den Antragsteller (vgl. Beschluss des Senats vom 16.05.2014, Az.: L 15 SF 372/13; Urteil des Senats vom 20.02.2015, Az.: L 15 SB 207/12).

Vorliegend hat der Gerichtstermin, für den eine Entschädigung begehrt wird, am 13.03.2014 stattgefunden. Eine weitere Heranziehung hat danach nicht mehr stattgefunden. Ob eine Heranziehung Verfahren L 9 AL 82/14, in dem über den Widerruf der Berufungsrücknahme im Verfahren L 9 AL 46/11 entschieden wird, als Fall des § 2 Abs. 1 Satz 3 JVEG zu betrachten wäre,...

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