Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. keine fiktive Terminsgebühr bei Erlass eines berufungsfähigen Gerichtsbescheids. Neuregelung. KostRMoG 2
Leitsatz (amtlich)
Eine (fiktive) Terminsgebühr nach Nr 3106 VV RVG (in der seit dem 1.8.2013 geltenden Fassung) fällt nicht an, wenn ein berufungsfähiger Gerichtsbescheid ergangen ist.
Orientierungssatz
Gegen die Regelung der Nr 3106 RVG-VV idF des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23.7.2013 (juris: KostRMoG 2) bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl LSG Chemnitz vom 14.9.2015 - L 8 AS 417/15 B = AGS 2016, 67).
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 8. März 2016 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdeführer nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse zusteht. Streitig sind die Höhe der Verfahrensgebühr sowie die Frage, ob eine Terminsgebühr festzusetzen ist.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth (SG), Az.: S 3 R 641/14 (vormals S 3 R 695/12), ging es um den Widerruf einer Klagerücknahme. Mit Beschluss vom 28.04.2015 wurde dem klägerischen Antrag auf Gewährung von PKH entsprochen; der Beschwerdeführer wurde beigeordnet. Das Verfahren vor dem SG wurde mit Gerichtsbescheid vom 21.12.2015 abgeschlossen. Gegen den Gerichtsbescheid wurde Berufung eingelegt; diese ist unter dem Az.: beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) anhängig.
Am 19.01.2016 beantragte der Beschwerdeführer, seine Vergütung für das Klageverfahren in Höhe von 1.141,09 EUR festzusetzen. Dabei setzte er u.a. eine Verfahrensgebühr in Höhe von 550,00 EUR und eine Terminsgebühr in Höhe von 510,00 EUR an.
Mit Beschluss vom 18.02.2016 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung auf 415,19 EUR fest und berücksichtigte dabei u.a. eine Verfahrensgebühr lediglich in Höhe von 450,00 EUR unter Verweis auf die konkreten Tätigkeiten des Beschwerdeführers im Verfahren sowie auf die überdurchschnittliche Schwierigkeit und den ebensolchen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sowie die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit und die unterdurchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei. Die Festsetzung einer (fiktiven) Terminsgebühr lehnte die Urkundsbeamtin ab, da die Voraussetzungen von Nr. 3106 Ziff. 2 VV RVG nicht erfüllt seien. Zwar sei das Verfahren durch Gerichtsbescheid entschieden worden, jedoch könne vorliegend keine mündliche Verhandlung beantragt werden, da der Gerichtsbescheid rechtsmittelfähig sei. Hierfür falle keine Terminsgebühr an.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 23.02.2016 Erinnerung eingelegt und im Wesentlichen vorgetragen, dass Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit extrem groß gewesen seien, was sich schon aus den 1991 beginnenden Akten ergebe. Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger sei ebenfalls sehr groß. Die Terminsgebühr sei angefallen, weil es sowohl nach Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck des Gebührentatbestands überhaupt nicht auf eine Rechtsmittelfähigkeit des Gerichtsbescheids ankomme.
Mit Beschluss vom 08.03.2016 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es dargelegt, dass hinsichtlich der Verfahrensgebühr zu Recht von einer insgesamt deutlich überdurchschnittlichen Angelegenheit ausgegangen worden sei. Dies gelte für Umfang und Schwierigkeit. Es handele sich jedoch nicht um eine der vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu führenden Streitsachen, in der komplizierte rechtliche und komplizierte medizinische Fragen zu klären gewesen seien. Auch wenn man die Bedeutung der Angelegenheit für den betroffenen Kläger als durchschnittlich ansehe, seien die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des damaligen Klägers weit unterdurchschnittlich gewesen. Somit sei die Bestimmung der Verfahrensgebühr über dem Durchschnitt in Höhe von 450,00 EUR angemessen. Die fiktive Terminsgebühr sei nach dem unmissverständlichen Wortlaut von Nr. 3106 VV RVG dem Grunde nach nicht angefallen, da der das erstinstanzliche Verfahren abschließende Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) uneingeschränkt berufungsfähig und damit ein Antrag auf mündliche Verhandlung nicht zulässig sei.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 18.03.2016 beim BayLSG Beschwerde erhoben, "insbesondere, was die Frage der Entstehung einer fiktiven Terminsgebühr anlangt."
Zur Begründung hat er im Wesentlichen auf den Zweck des genannten Gebührentatbestands, nämlich die Entlastung der Sozialgerichte, verwiesen. Weiter hat er hervorgehoben, dass sich bei einer Entscheidung, wie vom SG getroffen, künftig Rechtsanwälte nicht mehr vergleichsweise mit einem Gerichtsbescheid zufrieden geben, sondern durchwegs auf einer mündlichen Verhandlung bestehen würden. Weiter verweise, so der Beschwerdeführer, der Gebührentatbesta...