nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Neuropsychologische Therapie. Systemversagen. einstweiliger Rechtsschutz

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Krankenkasse ist nicht verpflichtet, die Kosten für die Durchführung einer Neuropsychologischen Therapie zu übernehmen.

2. Bei der Neuropsychologischen Therapie handelt es sich um eine neue Behandlungsform und -methode.

3. Neue ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit – auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden – abgegeben hat.

4. Die bisher fehlende Anerkennung der Neuropsychologischen Therapie ist kein Systemmangel, da bisher lediglich ein partieller Wirksamkeitsnachweis der Behandlungsmethode vorliegt, der nicht derart zwingend ist, dass eine auch in Teilbereichen positive Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses vorweg genommen werden könnte.

5. Die Neuropsychologische Therapie fällt nicht unter die in den Heilmittel-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gelisteten Maßnahmen der Ergotherapie.

6. Welche Behandlung im Einzelfall in Frage kommt, wird allgemein durch die einschlägigen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, die Bestandteil der Bundesmantelverträge sind und damit das Leistungsspektrum im Einzelnen bestimmen, und durch die Leistungskonkretisierung des Vertragsarztes im jeweiligen Behandlungsfall geregelt.

 

Normenkette

SGB V §§ 135, 32 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 2

 

Verfahrensgang

SG Würzburg (Entscheidung vom 08.01.2004; Aktenzeichen S 9 KR 300/03 ER)

 

Tenor

BI. Die Beschwerden werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II. Die Beschwerden gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Würzburg vom 8. Januar 2004 werden zurückgewiesen.

III. Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird nicht bewilligt.

IV. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Versorgung des Antragstellers mit einer ambulanten neuropsychologischen Therapie bei dem Dipl.-Psychologen M ...

Der 1943 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin versichert. Er leidet an einem organischen Psychosyndrom, einer rechtsbetonten schlaffen Tetraparese, Dysphagie, Anarthrie und Aphonie. Dies bedingt bei ihm verbale und visuelle Gedächtnisstörungen, Störungen bei der Orientierung, Aufmerksamkeit und der Exekutivfunktionen. Der Antragsteller befand sich vom 03.07. bis 01.09.2003 in stationärer neurologisch-neurochirurgisch-frührehabilitativer Behandlung in der neurologischen Klinik Bad N ... Dort wurde eine weitere neurophysiologische Behandlung für zwingend notwendig gehalten, ergotherapeutische Behandlung würde bei weitem nicht ausreichen. Der Antragsteller hat sich nach dem Klinikaufenthalt bei dem Dipl.-Psych. G. M. zur ambulanten neurophysiologischen Weiterbehandlung angemeldet. Die Antragsgegnerin hat den Antrag auf Kostenübernahme dieser Behandlung mit Bescheid vom 14.10.2003 abgelehnt. Es handele sich um eine neue Behandlungsmethode, die nach den vorliegenden Erkenntnissen und ärztlichen Aussagen nicht dem allgemeinen Stand der medizinischen Kenntnisse entspreche. Den hiergegen eingelegten Widerspruch hat die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2003 zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat am 04.12.2003 beim Sozialgericht Würzburg beantragt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für eine neuropsychologische Behandlung durch das Zentrum für klinische Neuropsychologie (Dipl.-Psych. G. M.) zunächst für die Dauer von mindestens 25 Behandlungsstunden zu übernehmen. Die fehlende Anerkennung der Therapie durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen sei ein Systemversagen, da der Arbeitsausschuss "Psychotherapie" des Bundesausschusses im Jahr 2000 die Befassung mit der Therapieform der Neuropsychologie mit der Begründung abgelehnt habe, der wissenschaftliche Beirat habe die Anerkennung nach dem Psychotherapeutengesetz mangels Wirksamkeitsnachweis verneint. Die nachgewiesene Wirksamkeit der Neuropsychologie für Fälle wie dem vorliegenden werde er vom wissenschaftlichen Beirat in einer Stellungnahme aus dem Jahre 2000 ausdrücklich bestätigt. Auf einen entsprechenden Antrag vom Juli 2003 habe sich der gemeinsame Bundesausschuss erneut mit der Überprüfung der Behandlungsmethode befasst, aber noch keine Entscheidung gefällt. Die Verzögerung von mehr als drei Jahren sei eine Systemstörung. Der Antragsteller sei derzeit auf die Durchführung der Behandlung angewiesen und könne nicht warten, bis der Bundesausschuss in ferner Zukunft entscheiden werde. Der Antragsteller hat außerdem Prozesskostenhilfe beantragt.

Die Antragsgegnerin hat in der Stellungnahme vom 12.12.2003 darauf hingewiesen, dass we...

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