Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Festsetzung des Gegenstandswerts für die Rechtsanwaltsgebühren

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Unterschied zwischen einer Streitwertfestsetzung für die Gerichtsgebühren und einer Gegenstandswertfestsetzung für die Vergütung des Rechtsanwaltes.

 

Orientierungssatz

1. Der für den Rechtsanwalt zur Abrechnung seiner Wertgebühren nach § 3 Abs. 1 Satz 2 RVG festzusetzende Gegenstandswert folgt grundsätzlich der Festsetzung des Streitwerts für die Gerichtsgebühren (§ 32 Abs. 1 RVG). Anders als bei der Berechnung von Gerichtskosten in kostenpflichtigen Verfahren nach § 197a SGG fallen nach der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG jedoch Einzelgebühren an, die ggf. aus unterschiedlichen Gegenstandswerten zu berechnen sind. Es ist jeweils der Gegenstandswert zum Zeitpunkt des Gebührenanfalls maßgeblich. Dieser kann sich im Laufe des Rechtsstreits ändern.

2. Es besteht deshalb ein Rechtsschutzinteresse der betroffenen Beteiligten an einer gestaffelten Wertfestsetzung, wenn sich der Gegenstandswert während des Verfahrens ändert (vgl. LSG München, 14. September 2011, L 2 U 298/11 B, LSG Essen, 20. Mai 2008, L 16 B 87/07 KR).

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 29. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten war streitig die Rechtmäßigkeit einer Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen nach Betriebsprüfung in Höhe von 18.630,04 Euro (einschließlich Säumniszuschläge).

Die Beklagte hatte die Forderung in Höhe von 18.630,04 Euro aufgrund einer abhängigen Beschäftigung des Busfahrers M. W. für den Zeitraum vom 1.12.2004 bis 7.1.2007 mit "Teilbescheid" vom 30.6.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.3.2011 geltend gemacht. Darüber hinaus behielt sich die Beklagte eine weitere Nachforderung von Beiträgen für die Zeit vom 1.6.2002 bis zum 30.11.2004 ausdrücklich vor. Der Abschluss eines von der Staatsanwaltschaft S. geführten Ermittlungsverfahrens sollte abgewartet werden. Die gesamte Beitragsnachforderung (einschließlich Säumniszuschläge) für die Zeit vom 1.6.2002 bis 31.12.2006 hatte die Beklagte in ihrem Anhörungsschreiben vom 13.3.2009 in Höhe von 31.458,37 Euro beziffert. Der Teilbescheid vom 30.6.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9.3.2011 war Gegenstand der Klage zum Sozialgericht Würzburg.

Die Beteiligten beendeten den Rechtsstreit durch Abschluss eines Vergleichs mit folgendem Inhalt:

I. Die Feststellung der Versicherungspflicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung für den Arbeitnehmer M. W. mit der Folge der Beitragsnacherhebung ab dem 1.12.2004 bis zum 7.1.2007 bleibt bestehen.

II. Die Parteien sind sich darüber einig, dass für die Zeit vor dem 1.12.2004 keine Beitragsnacherhebung vorgenommen wird.

III. Von der Erhebung der Säumniszuschläge wird abgesehen.

IV. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Mit Schriftsatz vom 10.5.2012 hat die Klägerin beim Sozialgericht beantragt, den Gegenstandswert für den Vergleich auf 31.458,73 Euro festzusetzen. Mit Beschluss vom 29.5.2012 hat das Sozialgericht den Streitwert für das gerichtliche Verfahren auf 18.630,04 Euro bestimmt. Eine Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren ist nicht erfolgt. Der Beschluss ist mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, wonach eine Beschwerde innerhalb von sechs Monaten nach Erledigung des Verfahrens einzulegen ist. Dagegen hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, durch den Vergleich habe sich auch die Nachforderung von Beiträgen vor dem 1.12.2004 erledigt. Es bestehe deshalb ein Vergleichsmehrwert in Höhe von 12.828,33 Euro. Der Gegenstandswert für den Vergleich sei auf 31.458,37 Euro festzusetzen. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Das Sozialgericht hat zu Recht den Streitwert für das gerichtliche Verfahren in Höhe der streitgegenständlichen Forderung der Beklagte von 18.630,04 Euro festgesetzt. Der Streitwert folgt aus § 52 Abs. 3 GKG und bemisst sich nach der Höhe der bezifferten Forderung.

Darüber hinaus hat das Sozialgericht - wie von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin beantragt - erst noch die Festsetzung des Gegenstandswertes für den von den Beteiligten geschlossenen Vergleich vorzunehmen. Das Sozialgericht hat bislang keine Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren nach § 33 Abs. 1 RVG getroffen. Der Inhalt des Beschlusses vom 29.5.2012 beschränkt sich nach seinem Wortlaut auf eine Streitwertfestsetzung nach § 52 Abs. 1 GKG. Auch die Rechtsmittelbelehrung verweist ausschließlich auf die Möglichkeit einer Beschwerde nach § 68 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG. Zudem hat das Sozialgericht keine förmliche Abhilfeentscheidung über die von der Klägerin eingelegte Beschwerde getroffen. Das Sozialgericht hat in seinem Beschluss vom 29.5.2012 nicht die Verfahrensregeln einer sofortigen Beschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG angewandt und ist damit ebenfalls nicht davon ausgegangen, dass eine Entscheidung nach § 33 ...

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