Orientierungssatz

Maßgeblich für die Auslegung des Begriffes des tatsächlichen Aufenthalts iS des § 98 Abs 1 S 1 SGB 12 ist der Grundsatz, dass der sozialhilferechtliche Bedarf dort gedeckt werden soll, wo er entsteht. Kurze Aufenthalte nur etwa zwei Mal in der Woche zur Leerung des Briefkastens begründen allein keinen tatsächlichen Aufenthalt.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 22.07.2005 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Antragsgegner (Ag) gemäß § 98 Abs 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) örtlich zuständig für die Bewilligung von Leistungen der Sozialhilfe an die Antragstellerin (ASt) ist.

Die 1977 geborene ASt bezog seit dem 01.01.2004 vom Ag laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem früheren Bundessozialhilfegesetz (BSHG).

Mit Bescheid vom 24.08.2004 bewilligte ihr der Ag Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß §§ 11 ff BSHG ab dem 01.05.2004 bis auf weiteres unter Anrechnung der Eigenheimzulage, die die ASt für ihr Einfamilienhaus auf dem Anwesen R., F., in den Jahren 2003 bis 2010 in Höhe von jährlich 1.278,00 EUR, auszahlbar jeweils zum 15.03. eines Jahres, erhält. Ihren hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Regierung von Niederbayern mit Widerspruchsbescheid vom 23.12.2004 zurück. Ihre Klage vom 07.01.2005 wies das Sozialgericht Landshut (SG) mit Gerichtsbescheid vom 31.05.2005 ab. Ihre Berufung hatte keinen Erfolg (BayLSG vom 22.09.2005 - Az: L 11 SO 10/05).

Für die Zeit vom 01.01.2004 bis 31.12.2004 erhielt die ASt zudem monatliches Wohngeld (Lastenzuschuss) in Höhe von 94,00 EUR bzw. ab dem 01.10.2004 in Höhe von 113,00 EUR.

Mit Bescheid vom 17.12.2004 bewilligte der Ag der ASt für den Zeitraum ab dem 01.01.2005 bis auf weiteres Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß §§ 27 ff SGB XII in Höhe von 354,55 EUR monatlich, wiederum unter Anrechnung der anteiligen Eigenheimzulage. Mit weiterem Bescheid vom 03.03.2005 änderte der Ag die monatliche Hilfeleistung an die ASt für den Zeitraum ab dem 01.01.2005 bis auf weiteres auf 431,43 EUR ab. Am 04.03.2005 erfuhr der Ag in einem Telefonat mit der Gemeindeverwaltung F., dass das Haus der ASt in R. nicht bewohnbar sei und die ASt vermutlich bei ihrem Lebensgefährten in P., J.-Str., wohne. Bei einer Ortseinsicht in R., F., stellte der Ag am 15.03.2005 selbst fest, dass dieses Anwesen derzeit unbewohnt sei. Der Eingangsbereich (Zaun und Tore) sei von außen mit Sicherheitsschlössern abgesperrt. Der vor dem Haus liegende ca. einen halben Meter hohe spurenfreie Schneeberg lasse erkennen, dass in den letzten Wochen kein Zutritt zum Hausgrundstück bzw. zum Eingangsbereich erfolgt sei. Desweiteren sei der Briefkasten und die Türglocke am Eingangstor nicht beschriftet. Bei einem Hausbesuch in der J.-Str., P., am selben Tage wurde der Vater des angeblichen Lebensgefährten der ASt angetroffen, der sich dahin äußerte, dass die ASt derzeit nicht da sei und auch nicht dauerhaft bei seinem Sohn wohne. Sie sei aber die Lebensgefährtin seines Sohnes.

Weitere Ermittlungen ergaben, dass auch die Müllabfuhr für das streitgegenständliche Anwesen R. bereits zum 31.10.2003 abgemeldet worden war.

Im Rahmen der Anhörung gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gab die ASt unter dem 23.03.2005 an, sie weise den Vorwurf zurück, dass sie in P. lebe. Im Übrigen mache sie darauf aufmerksam, dass ein Hausbesuch vorher anzumelden sei.

Mit Bescheid vom 29.03.2005 stellte der Ag daraufhin die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt ab dem 31.03.2005 ein, weil er für diese Hilfeleistung nach § 98 Abs 1 SGB XII nicht mehr örtlich zuständig sei.

Weitere Ermittlungen des Ag ergaben, dass der Stromlieferungsvertrag für das Anwesen R., F., von der ASt zum 23.10.2004 gekündigt worden ist und auch der Zähler am 23.10.2004 ausgebaut worden ist. Seither befindet sich kein neuer Stromzähler in diesem Anwesen. Auf Nachfragen in der Nachbarschaft erhielt der Ag Hinweise, dass die ASt nach einem Hausbrand im Jahre 2003 nach P. gezogen sei. Die Post werde noch in den am Gartenzaun angebrachten Briefkasten eingelegt. Sie befinde sich manchmal einige Tage darin. Der Briefkasten werde unregelmäßig geleert.

Den Widerspruch der ASt vom 11.04.2005 wies die Regierung von Niederbayern mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2005 zurück. Auf Grund der umfangreichen Ermittlungen des Ag könne von einem tatsächlichen Aufenthalt im Sinne des § 98 Abs 1 Satz 1 SGB XII der ASt im Landkreis P. nicht ausgegangen werden.

Hiergegen erhob die ASt mit Schriftsatz vom 31.05.2005 Klage.

Sie beantragte beim SG zudem sinngemäß, den Ag durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, ihr über den 01.04.2005 hinaus Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zu bewilligen.

Der Ag beantragte, den Antrag abzulehnen.

Seine umfangreichen Ermittlungen hätten ergeben, dass die ASt sich nach dem Wohnhausbrand nicht mehr in ihrem Haus in F., R., aufhalte.

Mit Beschluss vom 22.07.2005 lehnte das SG den Erlass...

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