Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Arbeitslosengeld II. wiederholte Pflichtverletzung. Sanktion in Höhe von 60 % des Regelbedarfs. Verfassungswidrigkeit gemäß BVerfG. Umdeutung in eine Minderung von nur 30 %
Leitsatz (amtlich)
Eine Sanktion in Höhe von 60 % kann in eine Sanktion in Höhe von 30 % des Regelbedarfs umgedeutet werden entsprechend der Vorgaben des BVerfG (vgl BVerfG vom 5.11.2019 - 1 BvL 7/16 = BVerfGE 152, 68 = NJW 2019, 3703).
Tenor
I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts München vom 16. Januar 2020 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Streitig ist die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 16.01.2020.
Der Beschwerdeführer (Bf) wendet sich in der Sache gegen die Minderung seiner laufenden Leistungen nach dem SGB II durch den Beschwerdegegner (Bg). Mit Bescheid vom 19.03.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2018 hat der Bg die Minderung des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 01.04.2018 bis 30.06.2018 um 60 % des maßgebenden Regelbedarfs, d.h. in Höhe von 249,60 € monatlich, wegen Nichtaufnahme einer zumutbaren Arbeitsgelegenheit festgestellt.
Mit Bescheid vom 02.10.2017 hatte der Bg einen Eingliederungsverwaltungsakt erlassen. Um die beruflichen Integrationschancen des Bf kurzfristig zu verbessern, wurde der Bf verpflichtet, eine Arbeitsgelegenheit gemäß § 16 d SGB II bei "P. e.V." als Helfer im Bereich Ver- und Entsorgung in B-Stadt in der Zeit vom 09.10.2017 bis 31.12.2017 anzutreten. Nachdem der Bf die Arbeitsgelegenheit am 09.10.2017 nicht angetreten hatte, stellte der Bg mit Bescheid vom 19.12.2017 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 29.01.2018 die Minderung des Arbeitslosengeldes II in Höhe von 30% des Regelbedarfs (122,70 € monatlich) für die Zeit vom 01.01.2018 bis 31.03.2018 fest. Die anschließend hiergegen erhobene Klage wurde vom Sozialgericht abgewiesen; die Nichtzulassungsbeschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht blieb erfolglos (Beschluss vom 30.03.2020, L 7 AS 71/20 NZB).
Mit Bescheid vom 16.01.2018 erließ der Beklagte einen Eingliederungsverwaltungsakt mit einer Gültigkeitsdauer vom 20.01.2018 bis 11.08.2018. Darin wurde der Bf verpflichtet, eine Arbeitsgelegenheit gemäß § 16d SGB II beim "K. B-Stadt" als Helfer/Verkauf in B-Stadt in der Zeit vom 12.02.2018 bis 11.08.2018 mit einem zeitlichen Umfang von 21 Wochenstunden anzutreten. Als individuell verfolgtes Maßnahmeziel wurde genannt: "Tagesstruktur schaffen, Heranführen an den Arbeitsmarkt, Belastbarkeit testen, Testen und Fördern der Teamfähigkeit und Arbeit in der Gruppe." Die Fahrtkosten würden vom Träger erstattet. Ferner wurde der Bf verpflichtet, monatlich ab 12.02.2018 jeweils mindestens zwei Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse in Vollzeit, Teilzeit und Minijobs in Anlerntätigkeiten und in seinem Beruf zu unternehmen und entsprechende Nachweise vorzulegen. Bei der Stellensuche seien auch befristete Stellenangebote und Stellenangebote von Zeitarbeitsfirmen einzubeziehen. Dem Bf wurden verschiedene Möglichkeiten der PC Nutzung für Bewerbungen genannt. Der Eingliederungsverwaltungsakt ist mit einer Rechtsfolgenbelehrung bei einem wiederholten Pflichtenverstoß versehen.
Mit weiterem Bescheid vom 16.01.2018 wies der Bg den Bf in die Arbeitsgelegenheit "K." beim Träger "B. Kreisverband B-Stadt" ein als Helfer/Verkauf für die Zeit vom 12.02.2018 bis 11.08.2018 mit einem zeitlichen Umfang von 21 Stunden wöchentlich, Montag und Dienstag je 15 bis 18 Uhr sowie Mittwoch, Donnerstag, Freitag jeweils in der Zeit von 8 bis 13 Uhr mit einer konkreten Tätigkeitsbeschreibung. Als Mehraufwandsentschädigung wurde ein Betrag von 1,10 € pro Stunde festgesetzt.
Nachdem der Bf die Arbeitsgelegenheit am 12.02.2018 nicht angetreten hatte, stellte der Bg nach entsprechender Anhörung mit streitgegenständlichem Bescheid vom 19.03.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2018 die Minderung des Arbeitslosengeldes II iHv 60% des Regelbedarfs (249,60 Euro monatlich) wegen wiederholter Pflichtverletzung für die Zeit vom 01.04.2018 bis 30.06.2018 fest. Ein wichtiger Grund für das Verhalten des Bf liege nicht vor, da die vorgetragenen angeblichen gesundheitlichen Einschränkungen nicht durch Vorlage entsprechender Unterlagen nachgewiesen worden seien. Der Bf habe eine ärztliche Bescheinigung, welche eine angebliche Verletzung und eine daraus resultierende Arbeitsunfähigkeit des Bf bestätigt hätte, nicht vorgelegt.
Der dagegen erhobenen Klage gab das Sozialgericht München mit Urteil vom 16 Januar 2020 teilweise statt. Die Klage sei insoweit begründet, als der Bg mit dem Bescheid vom 19.03.2018 für den streitgegenständlichen Zeitraum eine Minderung des maßgebenden Regelbedarfs mehr als 30% des Regelbedarfs festgestellt habe; der Bescheid vom 19.03.2018, der eine Minderung um 60% vorgesehen hatte, werde insoweit aufgehoben und die einbehaltenen...