Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Fehlen hinreichender Erfolgsaussichten. frühestmöglicher Zeitpunkt der Entscheidungsreife eines PKH-Antrags: Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Erledigung der Hauptsache

 

Leitsatz (amtlich)

Frühestmöglicher Zeitpunkt der Entscheidungsreife ist neben der Anhörung der Zeitpunkt der Vorlage des Fragebogens über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.

 

Orientierungssatz

Ist im Zeitpunkt der Vorlage die Hauptsache bereits erledigt, ist PKH mangels Erfolgsaussicht zu versagen.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 13.04.2016 - S 10 AS 134/16 ER - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für April 2016.

Nach den Angaben der Beteiligten im Rahmen des erstinstanzlichen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens habe die Antragstellerin (Ast) während des laufenden Leistungsbezuges mitgeteilt, zum 01.04.2016 umziehen zu wollen. Daraufhin habe der Antragsgegner (Ag) die vorläufige Zahlungseinstellung ab April 2016 verfügt. Bei einer Vorsprache am 04.04.2016 sei geklärt worden, dass der Umzug noch nicht stattgefunden habe und es seien sofort Leistungen für April 2016 angewiesen worden.

Am 04.04.2016 hat die Ast zusätzlich Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Würzburg (SG) gestellt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse folge. Mit Schreiben vom 05.04.2016 hat der Ag dem SG die Sachlage dargestellt und mitgeteilt, dass Leistungen bereits angewiesen worden seien. Am 12.04.2016 hat die Ast die Hauptsache für erledigt erklärt, der Ag habe durch sein Verhalten allerdings Anlass zur Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes gegeben. Zugleich hat die Ast den Fragebogen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen übersandt.

Das SG hat mit Beschluss vom 13.04.2016 den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt. Im frühestmöglichen Zeitpunkt einer Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von PKH ab 12.04.2014 habe der Eilantrag keinerlei Erfolgsaussichten mehr gehabt.

Dagegen hat die Ast Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Der Ag habe ihr Anlass zur Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes gegeben.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die beigezogenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Akten des Ag Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, aber unbegründet. Mangels hinreichender Erfolgsaussicht besteht kein Anspruch auf die Bewilligung von PKH.

Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R - SozR 3-1500 § 62 Nr.19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 73a Rn.7ff.) ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH- Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im PKH- Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 - NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als "schwierig" erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807...

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