Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur für einzelne Personen einer Streitgenossenschaft. Höhe des Vergütungsanspruchs. Beigeordneter Rechtsanwalt. Verfahrens- und Terminsgebühr. Erhöhungsbetrag. Wahlanwaltsvergütung. Regress
Leitsatz (amtlich)
1. Wird von mehreren Streitgenossen nicht allen Streitgenossen Prozesskostenhilfe bewilligt, hat der beigeordnete Anwalt, der auch den/die anderen, nicht bedürftigen Streitgenossen vertritt, hinsichtlich der gegen die Staatskasse entstandenen Verfahrensgebühr nicht nur auf die Erhöhungsbeträge nach Nr 1008 VV RVG (juris: RVG-VV) Anspruch, welche auf die bedürftigen Streitgenossen fallen.
2. In gleicher Weise darf dem beigeordneten Anwalt nicht die Terminsgebühr mit der Begründung vorenthalten werden, er könne sich deswegen an dem nicht bedürftigen Streitgenossen schadlos halten.
3. Gegebenenfalls kann die Staatskasse Regress beim nicht bedürftigen Streitgenossen nehmen. Für eine Vorabkürzung der Anwaltsvergütung besteht jedoch kein Raum.
Normenkette
RVG § 59 Abs. 1; BGB § 426
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 27. November 2012 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Das Beschwerdeverfahren betrifft die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung nach §§ 45 ff. RVG.
Der Beschwerdegegner vertrat die damaligen Kläger in einem Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (S 51 AS 2327/09), das schließlich durch Klagerücknahme erledigt wurde. Die Klagepartei bestand aus zwei Streitgenossen, wobei der Beschwerdegegner nur einer Streitgenossin (im Folgenden: StrG 1) im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordnet wurde. Im Hinblick auf den zweiten Streitgenossen (im Folgenden: StrG 2) ist offenbar unklar, wie dessen Verhältnis zum Beschwerdegegner konkret ausgestaltet war, insbesondere, ob ein Vergütungsanspruch des Beschwerdegegners gegen StrG 2 entstanden ist.
Die Urkundsbeamtin beim Sozialgericht München sprach dem Beschwerdegegner unter dem Datum 26.06.2012 die Hälfte der beantragten Vergütung (darunter eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr) zu (262,40 EUR). Die Reduktion auf die Hälfte begründete sie sinngemäß damit, der Beschwerdegegner habe zwei Streitgenossen vertreten, wobei er aber nur StrG 1 beigeordnet worden war. Daher dürfe der Staatskasse nur die Hälfte der Gesamtkosten aufgebürdet werden.
Auf die Erinnerungen sowohl des Beschwerdegegners als auch der Staatskasse hat der Kostenrichter beim Sozialgericht München mit Beschluss vom 27.11.2012 die Vergütung auf insgesamt 464,10 EUR festgesetzt, was dem Erinnerungsantrag des Beschwerdegegners entsprochen hat. Die Erinnerung der Staatskasse hat er in vollem Umfang zurückgewiesen.
Gegen den Beschluss vom 27.11.2012 richtet sich die am 10.12.2012 eingelegte Beschwerde der Staatskasse. Diese trägt zur Begründung vor, sie habe dem Beschwerdegegner nur den Erhöhungsbetrag nach Nr. 1008 VV RVG zu leisten. Wegen aller anderen Vergütungskomponenten einschließlich der Terminsgebühr, so die Staatskasse sinngemäß, müsse sich der Beschwerdegegner an StrG 2 halten.
Der Senat hat die Akte des Sozialgerichts S 51 AS 2327/09 beigezogen.
II.
Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist zwar prinzipiell der Einzelrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG). Jedoch entscheidet wegen grundsätzlicher Bedeutung der hier vorliegenden Angelegenheit gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG der Senat als Gesamtspruchkörper. Ehrenamtliche Richter wirken nicht mit (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 3 RVG).
Die zulässige Beschwerde der Staatskasse ist unbegründet. Der Kostenrichter hat zutreffend die zu zahlende Vergütung so festgesetzt, wie es der Beschwerdegegner beantragt hatte.
Der Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens umfasst die Verfahrens- und die Terminsgebühr dem Grund und der Höhe nach.
In der Begründung zum Beschluss vom 27.11.2012 hat der Kostenrichter das aktuelle Meinungsspektrum zu der Problematik, welche Vergütung aus der Staatskasse dem Anwalt zusteht, wenn dieser nur einzelnen Personen aus einer Streitgenossenschaft beigeordnet ist, richtig dargestellt. Der Senat verzichtet angesichts dessen auf einen entsprechenden allgemeinen Abriss.
1. Der Senat stimmt dem Kostenrichter darin zu, dass die von der Staatskasse vertretene Ansicht, die mittelbar auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) basiert (mittelbar, weil die BGH-Rechtsprechung allein die PKH-Bewilligung durch das Prozessgericht betrifft) und von verschiedenen Instanzgerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit rezipiert wurde, abzulehnen ist. Der Kostenrichter hat im Wesentlichen argumentiert, der Vertrauensschutz der Partei könne verletzt sein, wenn die ursprünglich uneingeschränkte PKH-Bewilligung über das nachfolgende Verfahren nach §§ 55 RVG eine Einschränkung erfahren würde.
Damit hat der Kostenrichter zu Recht offen gelassen, ob die PKH-Bewilligung samt Beiordnung als solche von vornherein auf die Erhöhungsbetr...