Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Beschwerde gegen die Aussetzung des Klageverfahrens zur Durchführung des Vorverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Aussetzung des Klageverfahrens zur Durchführung des Vorverfahrens richtet sich nach § 114 SGG in analoger Anwendung.

2. Ein Antrag auf Aussetzung ist hierfür nicht erforderlich.

3. Der Beschwerdeführer ist durch den von ihm angegriffenen Aussetzungsbeschluss nicht beschwert, wenn das für die Zulässigkeit der Klage erforderliche Vorverfahren - bei fristgerechter Widerspruchseinlegung - noch nicht durchgeführt worden ist.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 24. Oktober 2016 wird als unzulässig verworfen.

II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Aussetzung eines Rechtsstreits vor dem Sozialgericht München (SG).

Der bei der Beklagten und Beschwerdegegnerin versicherte Kläger und Beschwerdeführer erhob am 21.04.2016 Untätigkeitsklage wegen Festsetzung der Belastungsgrenze für das Jahr 2016 und Befreiung von Zuzahlungen für das Jahr 2016. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen S 28 KR 630/16 geführt.

Mit Schreiben vom 17.05.2016 übermittelte die Beschwerdegegnerin den Bescheid vom 12.05.2016 nebst Berechnungsbogen zur Befreiung von den Zuzahlungen für das Jahr 2016 sowie eine Kopie des Befreiungsausweises für das Jahr 2016. Der Kläger erhob mit Schreiben vom 30.05.2016 Widerspruch und Klage gegen den Bescheid vom 12.05.2016.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 13.09.2016 wies das SG die Beteiligten darauf hin, dass bezüglich des Bescheides vom 12.05.2016 bisher kein Vorverfahren durchgeführt worden sei. Das Gericht beabsichtige daher, den Rechtsstreit zur Durchführung eines Vorverfahrens analog § 114 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszusetzen. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 18.09.2016 mit, das sogenannte Vorverfahren hinsichtlich des Bescheides vom 12.05.2016 habe nachweislich stattgefunden. Der Antrag des Beschwerdeführers sei nachweislich schon vor dem 01.01.2015 gestellt worden. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 24.10.2016 ordnete das SG das Aussetzen des Verfahrens an.

Gegen den Beschluss des SG hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom "8. Januar 2016", eingegangen am 09.01.2017, Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhoben und für das Beschwerdeverfahren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt. Das Verfahren sei an das SG zurückzuverweisen. Andernfalls solle das LSG selbst über den Streitgegenstand "Zuzahlungen 2016" entscheiden.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist bereits deshalb als unzulässig zu verwerfen, weil das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis nicht gegeben ist.

Der Beschwerdeführer ist durch den von ihm angegriffenen Aussetzungsbeschluss nicht beschwert. Vielmehr hat das SG das Klageverfahren zu Gunsten des Klägers analog § 114 SGG ausgesetzt, weil das für die Zulässigkeit seiner Klage erforderliche Vorverfahren gemäß § 78 SGG noch nicht durchgeführt worden ist.

Gemäß § 78 SGG sind vor Erhebung einer Klage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes nachzuprüfen. Die Vorschriften über die Durchführung des Vorverfahrens sind zwingend. Es kann grundsätzlich erst dann geklagt werden, wenn Widerspruch erhoben und verbeschieden ist (vgl. B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Auflage 2017, § 78 Rn.2a). Das Fehlen des Vorverfahrens ist stets und in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten und führt zur Unzulässigkeit der Klage (vgl. B. Schmidt a.a.O., § 78 Rn.3).

Der Kläger hat vorliegend im sozialgerichtlichen Verfahren mit Schreiben vom 30.05.2016 fristgerecht Widerspruch und zugleich Klage gegen den Bescheid vom 12.05.2016 erhoben. Über den Widerspruch des Klägers war zum Zeitpunkt des vom SG erlassenen Beschlusses noch nicht entschieden worden. Das Widerspruchsverfahren bzw. Vorverfahren war damit noch nicht abgeschlossen. Die Klage war daher zu diesem Zeitpunkt unzulässig. Das SG hat den Beteiligten die Möglichkeit gegeben, das Vorverfahren nachzuholen, das heißt das Widerspruchsverfahren durchzuführen. Die Anordnung der Aussetzung des Verfahrens erfolgte daher zu Gunsten des Klägers. Ein Antrag auf Aussetzung ist hierfür nicht erforderlich (so z.B. auch Keller a.a.O., § 114 Rn.5). Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 114 Abs. 2 S. 2 SGG.

Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da das Beschwerdeverfahren gegen den Aussetzungsbeschluss kostenrechtlich als Zwischenstreit im noch anhängigen Rechtsstreit zu behandeln ist (vgl. Keller a.a.O., § 114 Rn.9).

Prozesskostenhilfe gemäß § 73a SGG für das Beschwerdeverfahren war bereits mangels hinreichender Erfolgsaussicht nicht zu bewilligen.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11205413

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge