rechtskräftig

 

Verfahrensgang

SG Nürnberg (Entscheidung vom 27.02.2002; Aktenzeichen S 8 AL 6/01)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.02.2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Berücksichtigung von Vermögen bei der Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Der 1958 geborene Kläger war zuletzt vom 05.07.1999 bis 12.01.2000 als Kraftfahrer beschäftigt. Nach Arbeitslosmeldung am 03.01.2000 bezog er Arbeitslosengeld vom 13.01.2000 bis zur Erschöpfung des Anspruches am 07.04.2000. Mit Antrag vom 04.04.2000 beantragte er die Gewährung von Alhi. Unter dem 11.04.2000 gab er u.a. an, Bankguthaben in Höhe von 23.389,- DM (zwei Girokonten mit 6.882,- DM und 16.507,- DM Guthaben), Wertpapiere zum Kurswert am 11.04.2000 von 18.566,- DM und gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin ein Sparbuch mit Guthaben in Höhe von 3.188,- DM zu besitzen. Ergänzend führte er aus, dass er für einen Betrag in Höhe des Bankguthabens Aktien der T-Online International AG zum Zwecke der Alterssicherung geordert habe.

Mit Bescheid vom 14.04.2000 lehnte die Beklagte den Alhi-Antrag ab, weil der Kläger aufgrund seines Bankguthabens und Wertpapierbesitzes über ein Vermögen von 41.955,- DM verfüge, das nach Abzug eines Freibetrages von 8.000,- DM bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen sei. Er sei daher für 49 Wochen nicht bedürftig (33.955,- DM: 690,- DM wöchentliches Arbeitsentgelt).

Hiergegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt und ihn damit begründet, er habe einen Betrag in Höhe von 18.000,- DM in Aktienfonds und einen Betrag in Höhe von 8.300,- DM in Aktien investiert. Diese Anlage diene ebenso wie ein weiterer Betrag von 8.000,- DM, den er auf einem Konto deponiert und zum Erwerb von Aktienfonds vorgesehen habe, seiner Alterssicherung. Aufgrund seiner Motivation, das Aktienvermögen zur Alterssicherung vorzuhalten, sei ihm ein weiterer Freibetrag von 1.000,- DM je vollendetem Lebensjahr einzuräumen.

Der Kläger meldete sich unter dem 24.05.2000 bei der Beklagten aus dem Leistungsbezug ab. Er hat zum 15.05.2000 eine Stelle als Kraftfahrer angetreten.

Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 01.09.2000 zurück. Die Verwertung des vorhandenen Vermögens sei dem Kläger zumutbar, da dieses Vermögen aufgrund der spekulativen Anlageform nicht als angemessene Alterssicherung zu berücksichtigen sei. Das Vermögen sei vor der Inanspruchnahme von Alhi nicht bereits langfristig gebunden gewesen. Unabhängig davon, dass der Kläger erst noch vorhabe, einen Teil seines Vermögens in Aktien oder Aktienfonds anzulegen, habe der Kläger jederzeit die Möglichkeit, sein Vermögen aus diesen Anlageformen herauszunehmen und anderweitig zu verwerten.

Dagegen hat der Kläger am 05.10.2000 Klage zum Sozialgericht Münster erhoben. Er hat vorgebracht, dass er mit der Investition in Aktien und Aktienfonds das Ziel verfolgt habe, langfristig seine Alterssicherung sicherzustellen. Entsprechend habe er sich auch gegenüber seiner Lebensgefährtin geäußert. In der Rechtsprechung und der Gesetzgebung sei die Tendenz erkennbar, Arbeitnehmern und Arbeitslosen weiträumig Freiräume für eigene Maßnahmen der Altersvorsorge zu schaffen. Daher müsse den Betroffenen auch die Wahl der Anlageform der Alterssicherung freistehen, ohne dass dies sich dann bei Prüfung der Bedürftigkeit im Rahmen der Alhi-Gewährung nachteilig auswirke. Aus der Form der Anlage in Aktienfonds könne nicht geschlossen werden, dass das Vermögen nicht der Alterssicherung diene. Dies zeige insbesondere der Umstand, dass durch die sogenannte "Riester-Rente" dem Bürger anempfohlen werde, Altersvorsorge auch durch Aktienfonds zu betreiben. Wenn der Gesetzgeber diese Art der Anlageform subventioniere, könne dem Bürger bei der Entscheidung über die Alhi nicht entgegengehalten werden, dass es sich bei Aktienfonds um eine spekulative Anlageform handele.

Mit Beschluss vom 15.12.2000 hat das Sozialgericht Münster sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Nürnberg (SG) verwiesen. Das SG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, dem Kläger ab dem 07.04.2000 dem Grunde nach Alhi zu gewähren (Urteil vom 27.02.2002). Die Verwertung des Vermögens sei dem Kläger nicht zumutbar, da es nach der durch den Kläger getroffenen Zweckbestimmung sowie nach den objektiven Begleitumständen für die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt gewesen sei. Der Kläger habe sich bei der Anlageform von einem überhöhten Sicherheitsbedürfnis leiten lassen. Zwar sei aus den Gesamtumständen nicht erkennbar, welchem Zweck die Anlage in der gewählten Form gedient habe. Es sei aber von einem möglichen Hilfsverhältnis zwischen mehreren in Betracht kommenden Zweckbestimmungen auszugehen. Zur Berechnung des dem Kläger für die Alterssicherung zustehenden Schonvermögens sei auf einen Betrag von 1.000,- DM je vollen...

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