Verfahrensgang

SG Würzburg (Urteil vom 23.10.1975; Aktenzeichen S 11/Al 17/74)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.03.1978; Aktenzeichen 7/12 RAr 6/77)

 

Tenor

1.) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 23. Oktober 1975 wird zurückgewiesen.

2.) Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

3.) Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten im anhängigen Verfahren über die Zustimmung zu einer Massenentlassung gemäß den §§ 17 ff des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Die Firma A. H. Söhne (Arbeitgeberin), ein Straßen-, Hoch- und Tiefbauunternehmen, geriet in Zahlungsschwierigkeiten und stellte am 27.9.1973 die Zahlung der Löhne und Gehälter an ihre 144 Arbeitnehmer ein. Das Amtsgericht lehnte den Antrag vom 15.11.1973 auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens ab und eröffnete durch Beschluß vom 2.11.1973 den Konkurs über das Vermögen der Arbeitgeberin. Der Kläger ist als Konkursverwalter bestellt. Am 7.11.1973 scheiterten die Verhandlungen mit einer Auffanggesellschaft. Daraufhin verließ der Großteil der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz; 40 Arbeitnehmer hatten sich bereits vorher einen anderen Arbeitsplatz gesucht. Diese Entwicklung führte trotz noch vorhandener Aufträge zur Einstellung des Betriebes, da auch die angegangenen Kreditinstitute nicht mehr Darlehen für die Befriedigung der Lohnansprüche gewähren wollten.

Die Arbeitgeberin beantragte mit Schreiben vom 26.10.1973, die am 29.11.1973 beim Arbeitsamt Aschaffenburg eingingen, vorsorglich die Zustimmung zur Massenentlassung und die Verkürzung der Sperrfrist gemäß § 18 Abs. 1 KSchG. Der Konkursverwalter kündigte am 6.11.1973 die Arbeitsverhältnisse aller Arbeitnehmer unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist und wiederholte den bereits vorsorglich von der Arbeitgeberin gestellten Antrag.

Der beim Landesarbeitsamt Nordbayern gemäß § 20 Abs. 1 KSchG gebildete Ausschuß lehnte den Antrag der Arbeitgeberin und des Klägers ab und führte zur Begründung des schriftlichen Bescheides vom 27.11.1973 aus: Die Liquiditätsschwierigkeiten seien nicht überraschend aufgetreten: der Unternehmer habe sie wesentlich durch leichtgläubig geleistete Bürgschaften verursacht und sei in der Lage gewesen, die Schwierigkeiten rechtzeitig zu erkennen und dem Arbeitsamt zumindest eine vorsorgliche Anzeige zu erstatten; durch die Einhaltung der Sperrfrist von einem Monat würden die rückständigen Lohnansprüche der Arbeitnehmer nicht gefährdet; den Arbeitnehmern müsse vielmehr der Lohnanspruch für die gesamte Dauer der Sperrfrist erhalten bleiben. Die Zurückweisung des Widerspruches stützte der Ausschuß ferner darauf, daß der Unternehmer die Zahlungsunfähigkeit zu vertreten habe und deshalb das Risiko nicht einseitig zu Lasten der Arbeitnehmer gehen dürfe. Im übrigen bestehe ein öffentliches Interesse an der Verwirklichung der Regreßansprüche der Arbeitsämter, die ausgeschiedenen Arbeitnehmern Leistungen gewährt hätten.

Das Sozialgericht hob den Bescheid vom 27.11.1973 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3.1.1974 auf und verpflichtete die Beklagte, auf den Antrag vom 26.10.1973 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erlassen. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: § 20 Abs. 3 KSchG enthalte unbestimmte Rechtsbegriffe. Soweit es sich um die Lage des gesamten Arbeitsmarktes handele, habe die Beklagte, die mit besonderen Fachkenntnissen und Mitteln ausgestattet sei, einen Beurteilungsspielraum. Die gerichtliche Kontrolle sei hierbei auf die Frage begrenzt, ob die Verwaltung von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie die durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes abstrakt ermittelten Grenzen eingehalten und beachtet hat und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, daß im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.12.1974 – 7 RAr 17/73 – SozR 4100 § 42 des Arbeitsförderungsgesetzes –AFG– Nr. 5 –). Daran gemessen sei der Verwaltungsakt der Beklagten fehlerhaft. Er werde bereits den rechtsstaatlichen Grundsätzen über die Begründungspflicht von Bescheiden nicht gerecht. Die tragenden Gründe für die Interessenabwägung seien lediglich behauptet und inhaltlich nicht durch Tatsachen belegt. Der Kläger habe aber einen Anspruch darauf, mit den nachprüfbaren Tatsachen konfrontiert zu werden. Er sei nicht darauf angewiesen, im blinden Vertrauen eine so gestaltete Ablehnung hinzunehmen. Zur Frage des Arbeitsmarktes seien nur aktenintern Feststellungen getroffen worden. Es sei nicht nachprüfbar, ob der Ausschuß diese Feststellungen verwertet habe oder von sachfremden Erwägungen ausgegangen sei. Dem Gericht sei es verwehrt, die Beurteilung der Lage des gesamten Arbeitsmarktes unter besonderer Beachtung des Wirtschaftszweiges, dem der Betrieb angehört, vorzunehmen. Auch habe die ...

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