Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Erreichbarkeit. Umzug. Mitteilung der neuen Anschrift. Objektive Beweislast. Aufhebung der Bewilligung. Anhörung. Grobe Fahrlässigkeit. Merkblatt. Ausländer
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat die Behörde dem Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts im Widerspruchsverfahren die Möglichkeit eingeräumt, sich zu äußern, und hat sie dessen Einwendungen zur Kenntnis genommen und abgewogen, so genügt dies, um einen Anhörungsmangel zu heilen.
2. Für die Behauptung, er habe der Arbeitsagentur seinen Umzug angezeigt, trägt der Arbeitslose die objektive Beweislast.
3. Die postalische Erreichbarkeit i.S.v. § 1 EAO ist nicht gewährleistet, wenn der Ehepartner des Arbeitslosen nach einem (der Arbeitsagentur nicht angezeigten) Umzug den Briefkasten der alten Wohnung weiter täglich leert.
Normenkette
SGB III § 119 Abs. 3 Nr. 3, § 330 Abs. 3; EAO § 1 Abs. 1; SGB X §§ 24, 41 Abs. 1 Nr. 3, § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4, § 50
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 26.04.2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld in der Zeit vom 01.01.2004 bis 26.04.2004 wegen fehlender Erreichbarkeit der Klägerin.
Die 1949 geborene Klägerin war vom 12.09.1989 bis 30.04.2002 als Büglerin bei der Firma S. in K. tätig. Am 20.03.2002 meldete sie sich arbeitslos und gab als Adresse die R.str. in A-Stadt an. Den Erhalt des Merkblatts 1 für Arbeitslose bestätigte sie mit ihrer Unterschrift. Der Klägerin wurde mit Bescheid vom 23.04.2002 ab 01.05.2002 Arbeitslosengeld bewilligt.
Nach einem Beratungsvermerk vom 16.04.2004 sprach die Klägerin bei der Beklagten an diesem Tage vor. Die Einladung sei wegen eines anonym angezeigten Auslandsaufenthalts erfolgt, die Klägerin sei Anfang März wegen der Erkrankung/Tod des Onkels kurzfristig in die Türkei geflogen, habe versucht die Beklagte telefonisch zu erreichen, was jedoch nicht geklappt habe.
Am 27.04.2004 sprach die Klägerin erneut bei der Beklagten vor und gab an, in der Zeit vom 11.03.2004 bis 14.04.2004 ortsabwesend gewesen zu sein; dies sei vorher nicht mitgeteilt worden. Darüber hinaus sei sie am 01.01.2004 innerhalb O. umgezogen.
Mit Bescheid vom 05.05.2004 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Klägerin in der Zeit ab 01.01.2004 auf und setzte die Erstattungen von Leistungen in Höhe von insgesamt 3.053,13 EUR für den Zeitraum vom 01.01.2004 bis 26.04.2004 fest. Die Klägerin sei umgezogen und habe der Beklagten die neue Anschrift nicht oder jedenfalls nicht rechtzeitig mitgeteilt. Der Umzug sei zwar lediglich innerhalb der Wohngemeinde oder einer Nachbargemeinde erfolgt, die Klägerin habe der Post jedoch keinen Nachsendeauftrag erteilt, somit hätten Postsendungen der Beklagten die Klägerin nicht oder zumindest nicht rechtzeitig erreichen können.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.06.2004 zurück. Ein Arbeitsloser müsse sicherstellen, dass die Beklagte ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen könne. Die Klägerin sei innerhalb ihres bisherigen Wohnortes umgezogen, habe jedoch bei der Post keinen Nachsendeauftrag gestellt. Deshalb sei sie für die Beklagte erst wieder erreichbar gewesen, nachdem sie am 27.04.2004 ihre neue Anschrift mitgeteilt hatte.
Hiergegen hat die Klägerin am 01.07.2004 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Im Erörterungstermin am 18.05.2005 hat sie angegeben, sie sei Analphabetin. Sie habe im Dezember 2003 bei der Agentur für Arbeit in A-Stadt vorgesprochen und dort dem Sachbearbeiter, Herrn O., mitgeteilt, dass sie umziehen werde. Sie sei davon ausgegangen, dass diese Meldung ausreichend gewesen sei. Ihre Erreichbarkeit sei uneingeschränkt gegeben gewesen. Der Briefkasten am alten Wohnsitz der Klägerin sei täglich vom Ehemann der Klägerin überprüft worden, sodass die an sie gerichtete Post ihr auch hätte zugehen können. Im streitgegenständlichen Zeitraum sei von der Beklagten auch nicht versucht worden, sie zu erreichen bzw. es hätten sämtliche an die Klägerin gerichtete Schriftstücke durch Weiterleitung durch den Ehemann übermittelt werden können. Ein Nachteil sei somit auf Seiten der Beklagten nicht entstanden.
Das SG hat den Arbeitsvermittler der Beklagten, W. O., vernommen. Dieser hat ausgesagt, dass die Klägerin am 01.12.2003 zur Vorsprache bei ihm gewesen, ihm aber nicht erinnerlich sei, dass sie damals einen Umzug mitgeteilt hätte. Er habe auch keinen entsprechenden Vermerk gemacht. Soweit eine solche Mitteilung gemacht worden wäre, hätte er den Umzug auf jeden Fall vermerkt. Auch bei der Vorsprache am 02.03.2004 sei eine solche Mitteilung von der Klägerin nicht gemacht worden, diese sei erst am 27.04.2004 erfolgt.
Mit Urteil vom 26.04.2006 hat das SG die Klag...