Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialleistungsrecht: Leistungsausschluss wegen eines Rechtsmissbrauchs
Leitsatz (amtlich)
Sind die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Sozialleistungen erfüllt, so kann die Leistung nicht mit dem Hinweis auf einen Rechtsmissbrauch verweigert werden.
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Berechnung des Elterngeldes für den 2009 geborenen J. auch das Einkommen der Klägerin im Bezugszeitraum aus einer Nebentätigkeit zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin beantragte für den 1. bis 12. Lebensmonat ihres Sohnes Elterngeld. Sie ist beim W. beschäftigt, im Zeitraum von Januar 2008 bis Dezember 2008 mit 25 Wochenstunden, im Zeitraum vom Januar 2009 bis Februar 2009 mit 20,05 Wochenstunden. Für diese Tätigkeit erhielt sie ausweislich der Verdienstbescheinigung vom 24.04.2009 im Jahr 2008 1558,56 € beziehungsweise 1566,79 €, im Januar 2009 1296,70 € und im Februar 2009 1057 €. Außerdem liegt eine Verdienstbescheinigung über die Nebentätigkeit der Klägerin bei der C. Büro GmbH für den Zeitraum von September 2008 bis Dezember 2008 (Monatsbrutto 1600 €) und für den Zeitraum Januar/Februar 2009 (Monatseinkommen 2100 €) vor.
Mit Bescheid vom 25.05.2009 bewilligte der Beklagte Elterngeld in Höhe von monatlich 656,19 € (unter Anrechnung des Mutterschaftsgeldes) für die Lebensmonate 1 bis 12. Bei der Berechnung berücksichtigte er lediglich das Einkommen aus der Tätigkeit beim W. in Höhe von 1158,56 beziehungsweise 1566,79 € sowie für den Januar 2009 1296,70 und für den Februar 2000 1057 €. Die Erwerbseinkünfte aus dem Arbeitsverhältnis bei der C. Büro GmbH blieben außer Ansatz, da der Lebensgefährte und Kindsvater einer der beiden Geschäftsführer dieser Firma sei. Aufgrund eines so genannten "Fremdvergleichs" sei davon auszugehen, dass die Anstellung nur deshalb erfolgt sei, um das durchschnittliche Nettoentgelt zu erhöhen und somit ein höheres Elterngeld zu erzielen.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2009 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG). Die Klägerin sei bereits seit Oktober 2007 als geringfügig Beschäftigte bei der C. Bürotechnik GmbH als Buchhaltungskraft angestellt worden. Die Erhöhung der Arbeitsstunden ab September 2008 resultiere aus einer Umsatzerhöhung um circa 50 %, so dass auch eine Erhöhung der Arbeitszeit betrieblich erforderlich war. Im übrigen sei der "Fremdvergleich" nicht möglich, da eine Arbeitnehmerin nicht auf ihre Schwangerschaft hinweisen müsse, wenn sie einen Arbeitsvertrag abschließe. Von einer rechtsmissbräuchlichen Anstellung der Beklagten könne keine Rede sein, zumal unbestritten Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien und die Klägerin das vereinbarte Stundenkontingent gearbeitet habe. In der mündlichen Verhandlung legte die Klägerin dar, dass es im August 2008 in der Firma Buchhaltungsprobleme gegeben habe, die im Hinblick auf Verjährungsfristen ein rasches Reagieren erforderlich machten und insgesamt zumindest bis ins Jahr 2000 zurückreichten. Mit Urteil vom 21.01.2011 gab das SG der Klage statt und verurteilte den Beklagten, der Klägerin ein höheres Elterngeld unter Berücksichtigung ihres Verdienstes bei der Firma C. Büro GmbH zu gewähren. Das Gericht sehe die von der Klägerin abgegebene Darstellung des Geschehensablaufs, wonach eine frühere Mitarbeiterin kompliziertere Buchungsvorgänge unbearbeitet abgelegt habe und dies erst im August 2008 bemerkt worden sei, als glaubhaft an. Es habe nicht den Eindruck, dass die Einstellung der Klägerin lediglich dem Ziel gedient habe, einen höheren Nettolohn und damit später ein höheres Elterngeld zu erreichen. Zwar habe das Gericht hinsichtlich der Lohnhöhe gewisse Bedenken, ob es sich tatsächlich noch um eine angemessene Entlohnung gehandelt habe. In Anbetracht der Zwangslage sei dies jedoch im Rahmen des "Fremdvergleichs" anzuerkennen.
Gegen diese Entscheidung legte der Beklagte Berufung ein. Das bescheinigte Erwerbseinkommen könne nicht elterngelderhöhend berücksichtigt werden, wenn es nur zur Geltendmachung eines höheren Elterngeldanspruchs vereinbart werde und damit rechtsmissbräuchlich sei. Von einem Rechtsmissbrauch sei auszugehen, weil die Rechtsgestaltung im Bemessungszeitraum vorgenommen worden sei und sie der rechtsethischen Funktion des Rechts widerspreche. Es fehle an einem zu billigenden Eigeninteresse. Die vorgetragenen Argumente für die Vertragsgestaltung seien nicht belegt. Die Vertragsgestaltung sei offensichtlich nur möglich gewesen, da der Vater des Kindes als Geschäftsführer zugleich der Arbeitgeber gewesen sei.
Der Beklagte unterbreitete jedoch im Hinblick darauf, dass schon seit längerer Zeit eine geringfügige Nebenbeschäftigung ausgeübt worden sei, ein Vergleichsangebot mit dem Inhalt, ein zusätzliches Nettoeinkommen ...