Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Rügeobliegenheit des Klägers bei Nichtverbescheidung eines Antrags auf Anhörung eines bestimmten Arztes
Leitsatz (amtlich)
Wurde ein (erneuter) Antrag nach § 109 Abs. 1 SGG gestellt, über den das Gericht noch nicht entschieden hat, besteht für den Kläger keine Obliegenheit, diesen Umstand in der nächsten mündlichen Verhandlung zu rügen. Eine solche Obliegenheit ergibt sich insbesondere nicht aus (§ 202 Satz 1 SGG iVm) § 295 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO).
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 01.08.2018 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Würzburg zurückverwiesen.
II. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der endgültigen Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund eines Arbeitsunfalls des Klägers.
Der 1960 geborene Kläger war bei der Beklagten als Monteur der K. AG in T-Stadt versichert, als er am 19.02.1985 auf der Heimfahrt von einem Außendiensteinsatz als Mitfahrer auf dem Rücksitz eines Pkw einen Autounfall erlitt. Dabei fuhr der Fahrzeugführer mit dem Pkw nach einem Überholvorgang auf einen vor ihm fahrenden Lkw auf. Beim Kläger wurden als Erstdiagnosen eine commotio cerebri, eine Schädelprellung, eine Thorax- und Sternumprellung sowie oberflächliche Hautabschürfungen festgestellt.
Mit Bescheid vom 11.04.1986 bewilligte die Beklagte - unter Anerkennung und Ablehnung einzelner Unfallfolgen - dem Kläger eine vorläufige Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) i.H. v. 25 v.H. ab 06.05.1985. Mit weiterem Bescheid vom 27.07.1989 entzog die Beklagte dem Kläger ab August 1989 die Verletztenrente. Die Unfallfolgen hätten sich wesentlich gebessert.
Am 09.06.2016 suchte der Kläger wegen einer mutmaßlich eingetretenen Verschlechterung der Unfallfolgen erneut den Durchgangsarzt auf. Nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Dr. med. Dipl.-Psych. F. vom 06.10.2016 mit ergänzender Stellungnahme vom 10.04.2017 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19.05.2017 (Widerspruchsbescheid vom 15.11.2017) die Bewilligung einer Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom 19.02.1985 ab.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Das SG hat vom Kläger einen ausgefüllten Fragenbogen über medizinische Behandlung und Leistungsbezug ab 2015 sowie eine Erklärung der Entbindung von der Schweigepflicht eingeholt. Ohne Beiziehung von Befundberichten behandelnder Ärzte des Klägers hat das SG Professor Dr. Dr. N. (N) mit der Erstellung eines nervenfachärztlichen Gutachtens vom 09.04.2018 beauftragt. N ist abschließend zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Kläger als Folge des Arbeitsunfalls vom 19.02.1985 noch eine tendenzielle Kopfschmerzneigung vorliege. Nicht mit dem Unfall in ursächlichem Zusammenhang stehe eine darüberhinausgehende Kopfschmerzintensität erheblichen und zunehmenden Ausmaßes mit Beeinträchtigung von Konzentration und Gedächtnis sowie mit phasenweise auftretenden Panikattacken und Angstzuständen. Spezifische Diagnosen werden in dem Gutachten nicht genannt. Die unfallbedingte MdE hat der ärztliche Sachverständige N mit maximal 10 v.H. eingeschätzt.
Das SG hat das Gutachten am 19.04.2018 dem Kläger zugesandt mit der Bitte um Äußerung bis spätestens 17.05.2018, ob die Klage zurückgenommen werde. Es hat darauf hingewiesen, dass es die Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen nicht für erforderlich halte. Es hat dem Kläger für die Beantragung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie die Benennung des Beweisthemas und des Gutachters eine Frist bis zum 17.05.2018 gesetzt.
Mit Schreiben vom 15.05.2018, das am gleichen Tag beim SG eingegangen ist, hat der Kläger die Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG beim Facharzt für Neurologie Dr. D. S., L-Stadt, beantragt. Zudem hat er das Beweisthema bezeichnet. Daraufhin hat das SG am 17.05.2018 vom Kläger einen Kostenvorschuss angefordert.
Mit weiterem Schreiben vom 30.05.2018 hat der Kläger mitgeteilt, dass er sich vom 22.05.2018 bis 12.06.2018 zur Rehabilitation in der B. Klinik F-Stadt und anschließend vom 21.06.2018 bis 13.07.2018 im Urlaub befinde. Am 18.06.2018 hat der Kläger an das SG geschrieben, dass er nach Rücksprache mit der Betriebsärztin einen Neurologen für die Begutachtung als ungeeignet halte. Anstelle des bisher benannten Gutachters werde die Praxis für klinische Neuropsychologie, B-Stadt benannt. Da von Seiten des SG noch kein Gutachtensauftrag versandt worden sei, sei aufgrund der Änderung der Gutachterbenennung keine Verzögerung des Verfahrens zu erwarten. Sollte das SG Bedenken an dem Wechsel des Gutachters haben, werde diesbezüglich um richterlichen Hinweis gebeten.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 21.06.2018 hat das SG dem Kläger "auf richterliche Anordnung" mitgeteilt, dass di...