Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Zurückverweisung des Rechtsstreites bei der Erfordernis einer Anhörung eines Arztes. Verletztenrente. Verzögerung des Verfahrens. Grobe Nachlässigkeit. Beweisaufnahme. Ermessen
Leitsatz (amtlich)
Eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme, die zu einer Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG führen kann, ist auch bei der Erfordernis einer Anhörung eines Arztes nach § 109 SGG gegeben.
Normenkette
SGG §§ 109, 159 Abs. 1 Nr. 2
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 20.10.2016 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Würzburg zurückverwiesen.
II. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der endgültigen Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund eines Arbeitsunfalls des Klägers.
Der Kläger erlitt am 01.11.2011 einen Arbeitsunfall, bei dem er sich das linke Fersenbein brach. Mit Bescheid vom 21.11.2014 (Widerspruchsbescheid vom 05.03.2015) lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente ab.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) eingelegt. Das SG hat Beweis erhoben durch Beiziehung von bildgebenden Befunden und Einholung eines fachchirurgischen Gutachtens des ärztlichen Sachverständigen Dr. H. vom 13.07.2015 von Amts wegen.
Am 06.08.2015 ging das Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Dr. H. beim SG ein. Mit Schreiben vom gleichen Tag hat das SG den Kläger darum gebeten, sich bis spätestens 03.09.2015 zu äußern, ob im Hinblick auf das Beweisergebnis des Gutachtens die Klage zurückgenommen wird. Die Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen erscheine für die Entscheidungsfindung des Gerichts nicht erforderlich. Es stehe dem Kläger frei, bis zum genannten Termin die Einholung von Gutachten durch Ärzte seines Vertrauens zu beantragen (§ 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG), wenn er glaube, dem vorliegenden Gutachten nicht folgen zu können. Für eine eventuelle Antragstellung, Benennung des Beweisthemas und des Gutachters werde eine Frist bis zum 03.09.2015 gesetzt. Es werde gebeten, sich mit dem benannten Gutachter vorher in Verbindung zu setzen, ob er bereit sei, das Gutachten zu erstellen. Das SG hat im weiteren Verfahrensverlauf - unter anderem wegen Jahresurlaubs des Prozessbevollmächtigten des Klägers - die Frist bis zum 10.11.2015 verlängert. Mit Fax vom 04.11.2015 hat der Kläger Professor Dr. H. von der BG-Klinik F-Stadt als Gutachter nach § 109 SGG benannt.
Mit Beweisanordnung vom 18.01.2016 hat das SG Professor Dr. H. zum ärztlichen Sachverständigen auf seinem Fachgebiet ernannt. Mit Schreiben vom 21.04.2016 und 02.06.2016 hat das SG den ärztlichen Sachverständigen an die Übersendung des in Auftrag gegebenen Gutachtens erinnert. Am 13.06.2016 hat der ärztliche Sachverständige dem SG mitgeteilt, dass es ihm aufgrund seiner erheblichen Arbeitsbelastung als Chefarzt der chirurgischen Abteilung sowie als ärztlicher Direktor nicht möglich sei, das Sachverständigengutachten persönlich zu erstatten. Zur Erledigung des Auftrages möchte er den Facharzt für Chirurgie und Oberarzt Dr. N. heranziehen, der die körperliche Untersuchung durchführen, im Zusammenarbeit mit ihm das Gutachten schriftlich abfassen und auch, falls erforderlich, als Sachverständiger herangezogen werden soll. Aufgrund einer Vielzahl von Gutachtensaufträgen sei mit der Fertigstellung des Gutachtens voraussichtlich bis Ende des Jahres zu rechnen. Es werde um Rückmeldung gebeten, ob das SG mit dem Vorgehen einverstanden sei und erforderlichenfalls um Abänderung des Beweisbeschlusses.
Das Schreiben des ärztlichen Sachverständigen Professor Dr. H. hat das SG dem Kläger am 15.06.2016 mit Bitte um Kenntnis und Stellungnahme binnen 2 Wochen übersandt. Nach gewährter Fristverlängerung hat der Kläger am 14.07.2016 mitgeteilt, dass mit dem vom Gutachter vorgeschlagenen Vorgehen kein Einverständnis bestünde. Es werde als Gutachter nunmehr Dr. K., Klinikum M. vom Roten Kreuz, F-Stadt benannt. Mit Schreiben vom 18.07.2016 und Erinnerung vom 01.08.2016 und 24.08.2016 hat das SG die Rücksendung der Akten bei Professor Dr. H. angefordert. Nach Eingang der Akten am 24.08.2016 hat das SG am 22.09.2016 für den 19.10.2016 einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt.
Mit Fax vom 30.09.2016 hat der Kläger beim SG angefragt, weshalb nicht der nunmehr benannte Gutachter beauftragt worden sei; es wurde um Aufhebung und Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung gebeten. Daraufhin hat das SG am 04.10.2016 den Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben und mitgeteilt, dass, nachdem der ursprünglich benannte Gutachter das entsprechende Gutachten nicht fertige bzw. nach der Benennung eines weiteren Gutachters nicht fertigen soll, nach der Rechtsprechung des Sozialgerichts Karlsruhe der Fall eines nicht präsenten Beweismittels vorlieg...