Entscheidungsstichwort (Thema)

Wesentliche Änderung. Pflegegeld. Pflegestufe. Grundpflege. Behandlungspflege. Tatsächliche Hilfeleistung

 

Leitsatz (amtlich)

Wesentliche Änderung des Pflegeumfangs

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Aufwand nach § 15 Abs. 3 SGB XI bemisst sich danach, wie viel Zeit die Pflegeperson objektiv benötigt, nicht danach, wie viel Zeit sie tatsächlich einsetzt. Angesichts dessen kommt einem Pflegetagebuch, das den tatsächlichen zeitlichen Aufwand dokumentiert, keine entscheidende Bedeutung zu.

 

Normenkette

SGB X § 48 Abs. 1; SGB XI § 14 Abs. 4, § 15 Abs. 3 Nr. 1, § 37 Abs. 1

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 27. März 2007 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger Pflegegeld über den 31.03.2006 hinaus zu bezahlen hat.

Der 1970 geborene Kläger erlitt am 17.10.2002 einen Sportunfall. Beim Fußballspielen zog er sich bei einem Kopfball ein rechtsbetontes Hirnödem zu.

Die Beklagte gewährte ihm auf seinen Antrag vom 29.12.2004 Pflegegeld nach der Pflegestufe I auf Grund eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 01.03.2005. Darin wird dem Kläger ein Hilfebedarf von 46 Minuten bei der Grundpflege (Körperpflege = 12 Minuten; Ernährung = 6 Minuten; Mobilität = 28 Minuten) bescheinigt. Der Kläger sei im Gebrauch der rechten oberen Extremität eingeschränkt, könne den Arm nur bis Schulterhöhe heben, die Feinmotorik der rechten Hand sei gestört. Hilfe benötige er deswegen für das Schließen von Knöpfen und Reißverschlüssen und für mundgerechte Nahrungszubereitung. Wegen der rechseitigen Beinparese sei er auf Hilfe beim Gehen, auch für Transfers in die Badewanne angewiesen. Die Beklagte gewährte ab Dezember 2004 Leistungen nach der Pflegestufe I.

Bei einer Begutachtung durch den MDK am 26.09.2005 zeigte sich keine Änderung. Der Hilfebedarf wurde auf 51 Minuten für Grundpflege eingeschätzt. Am 28.09.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es verbleibe bei den bisherigen Leistungen.

Nach einem Hausbesuch am 27.02.2006 kam der MDK im Gutachten vom 28.02.2006 zum Ergebnis, der Zustand des Klägers habe sich gebessert. Er könne inzwischen selbständig einen PKW fahren und habe gelernt, sich selbständig aus liegender und sitzender Position aufzurichten, selbständig, wenn auch langsam, zu gehen und Treppen zu steigen. Die Hilfe für Grundpflege betrage nur noch 33 Minuten (Körperpflege = 15 Minuten; Ernährung = 6 Minuten; Mobilität = 12 Minuten). Darüber hinaus könne der Kläger bei vielen Verrichtungen inzwischen sinnvoll mithelfen.

Nach Anhörung hob die Beklagte am 13.03.2006 den Bescheid vom 14.03.2005 mit Ablauf des 31.03.2006 auf. Der Hilfebedarf sei auf Grund wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse auf 33 Minuten pro Tag gesunken und erreiche daher nicht mehr den Aufwand vom mehr als 45 Minuten pro Tag, was Voraussetzung für Leistungen nach der Pflegestufe I sei.

Im dagegen erhobenen Widerspruch brachte der Kläger vor, an seiner persönlichen Situation habe sich nichts geändert. Der MDK blieb in einer Stellungnahme vom 21.04.2006 bei seiner Auffassung. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Im Vergleich zum Vorgutachten sei - trotz fortbestehender Parese rechts - eine Besserung, nämlich eine Adaption an die Behinderung eingetreten. Es werde keine Hilfe mehr beim Richten der Kleidung nach Aufsuchen der Toilette benötigt. Beim An- und Auskleiden sei jetzt eine aktive Mithilfe möglich.

Dagegen erhob der Kläger beim Sozialgericht Bayreuth (SG) Klage mit dem Antrag, den Bescheid vom 13.03.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2006 aufzuheben und ihm über den 31.03.2006 hinaus Leistungen nach der Pflegestufe I zu erbringen. Der MDK habe den Pflegeaufwand nicht richtig eingeschätzt.

Das SG zog die Akten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) und des Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS), einen Befundbericht des Hausarztes Dr. G. und eine Auskunft des Staatsbades Bad S. ein. Dort führte der Kläger Krankengymnastik im Bewegungsbad in der Zeit vom 09.03. bis 27.07.2006 durch. Das Therapiehaus N. bestätigte am 04.08.2006 ergotherapeutische Behandlungen seit April 2006 mit dem Ziel, eine größtmögliche Selbständigkeit zu erreichen. Die Ehefrau des Klägers sei in unregelmäßigen Abständen bei den Therapiemaßnahmen dabei.

Im vom SG im Auftrag gegebenen Gutachten kam Dr. W. am 02.11.2006 nach Hausbesuch am 20.10.2006 zum Ergebnis, nach wie vor bestehe eine armbetonte Halbseitenschwäche rechts. Der Hilfebedarf betrage derzeit 24 Minuten pro Tag (Körperpflege = 13 Minuten; Ernährung = 6 Minuten; Mobilität = 5 Minuten). Der Hilfebedarf sei jetzt deutlich geringer als im Februar 2006. Zwar sei die von der Ehefrau erbrachte Hilfe tatsächlich höher, aber in dieser Form und in diesem Umfang aus medizinischer Sicht nicht notw...

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