Entscheidungsstichwort (Thema)

Entschädigung wegen eines Impfschadens: Anforderungen an den Nachweis des Primärschadens. Antrag eines Beteiligten auf Beiladung der Bundesrepublik Deutschland

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die gesundheitliche Schädigung als Primärschädigung, d.h. die Impfkomplikation, muss neben der Impfung und dem Impfschaden, d.h. der dauerhaften gesundheitlichen Schädigung, im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein.

2. Eine Beiladung der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 SGG setzt einen Antrag der Bundesrepublik Deutschland selbst voraus, der Antrag eines Beteiligten reicht dafür nicht.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 14.02.2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Impfschadens und die Gewährung von Versorgung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) wegen einer am 30.01.2014 durchgeführten Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis (Impfstoff: Boostrix(r)).

Die Klägerin ist im Jahr 1965 geboren. Bei ihr liegt ein Zustand nach akuter Querschnittsmyelitis mit einer leichtgradigen rechtsbetonten überwiegend sensiblen Querschnittssymptomatik vor. Es ist ein Grad der Behinderung von 50 anerkannt (Bescheid vom 12.10.2015.)

Mit Formblattantrag vom 25.08.2014 beantragte die Klägerin, eine Myelitis transversa als Impfschaden infolge einer durch den Kinderarzt Dr. T. durchgeführten Boostrix(r)-Impfung am 30.01.2014 anzuerkennen.

Dem Antrag waren beigelegt:

* ein Arztbrief der Sozialstiftung B-Stadt vom 24.04.2014, wonach die Klägerin dort stationär vom 16.04.2014 bis zum 24.04.2014 wegen einer Querschnittsmyelitis BWK 7, Differenzialdiagnose Gliom mit sensiblem Querschnitt rechtsbetont ab Dermatom TH 12 und Vitaminmangel behandelt worden sei. Die Klägerin sei wegen eines seit ca. 14 Tagen bestehenden Pelzigkeitsgefühls unterhalb des Bauchnabels eingewiesen worden. Das Pelzigkeitsgefühl sei nach Angaben der Klägerin langsam progredient, habe an den Füßen begonnen und steige nun auf. Bei einer Lumbalpunktion habe sich - so der Bericht des Krankenhauses - kein Hinweis auf eine akut-entzündliche ZNS-Erkrankung bei unauffälligen Liquorstatus ergeben. Eine MRT der HWS/BWS habe eine Läsion auf Höhe des BWK 7 von ca. 3 cm Länge gezeigt. Bei einer Kortisonstoßtherapie sei die Querschnittssymptomatik kaum rückläufig gewesen. Wegen des Nichtansprechens auf Kortison und nur einem isolierten Herd im MRT sei nicht von einer akuten oder chronischen-entzündlichen ZNS-Erkrankung, sondern eher von einer tumorösen Raumforderung auszugehen, am ehesten einem Gliom.

* ein Arztbrief des Universitätsklinikums E-Stadt vom 14.05.2014 über einen stationären Aufenthalt vom 28.04.2014 bis zum 14.05.2014. Als Diagnosen wurden dort genannt der Verdacht auf Querschnittsmyelitis BWK 7, Differenzialdiagnose Gliom mit sensiblem Querschnitt sowie ein Vitamin B12-Mangel, bezüglich dessen eine Substitution begonnen und eine Fortsetzung empfohlen worden sei. Bei der Aufnahme habe die Klägerin angegeben, seit 4 bis 6 Wochen an zunehmenden Gefühlsstörungen beider Beine zu leiden, welche sich in den letzten drei Wochen deutlich verschlechtert hätten. Eine Erregerdiagnostik sei - so der Bericht - unauffällig gewesen, so dass gegenwärtig nicht von einer paraeinfektiösen Genese auszugehen sei. Eine Analyse des Liquors sei ebenfalls unauffällig gewesen. Auffällig sei ein Vitamin B12-Mangel gewesen, so dass die intramuskuläre Substitution begonnen worden sei. Klinisch habe sich eine leichtgradige Besserung der Sensibilitätsstörungen gezeigt.

* ein Arztbrief der neuroimmunologischen Ambulanz des Universitätsklinikums E-Stadt vom 14.07.2014, in der sich die Klägerin am 18.06.2014 vorgestellt hatte: Die Klägerin habe berichtet, dass sie, nachdem am 30.01.2014 eine Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis durchgeführt worden sei, im Verlauf der nächsten 2 bis 3 Wochen erstmalig Sensibilitätsstörungen im Bereich der Fußsohle bemerkt habe. Im weiteren Verlauf seien diese Sensibilitätsstörungen teilweise zum Rippenbogen aufgestiegen. Zusätzlich sei sie dann im Februar nicht mehr in der Lage gewesen, sicher zu gehen. In der Kernspintomographie habe sich - so der Bericht - auf Höhe des BWK 7 eine Signalalteration nachweisen lassen, die zum einen gut zu einer Myelitis gepasst habe. Differenzialdiagnostisch sei allerdings auch das Vorliegen eines Glioms diskutiert worden. In Zusammenschau der Befunde sei nunmehr von einer entzündlichen Genese der Myelonläsion auszugehen. Es sei zu diskutieren, ob es sich nicht um eine monophasisch verlaufende Myelitis handle. Auffällig sei, dass die ersten Symptome nach Durchführung einer Impfung im Januar aufgetreten seien, so dass eine kausale Assoziation nicht ausgeschlossen werden könne.

In der Folge holte der Beklagte weitere Informationen ein:

* Der impfende Arzt Dr. T. berichtete dem Beklagten a...

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