Die Erkrankung nach einer betrieblichen Grippeschutzimpfung ist kein Arbeitsunfall
In einer Grundsatzentscheidung hat das LSG Mainz einem Arbeitnehmer, der sich im Rahmen einer betrieblich durchgeführten Impfung gegen Influenza hatte impfen lassen und anschließend eine schwere Folgeerkrankung erlitt, Ansprüche gegen die Berufsgenossenschaft auf Entschädigungsleistungen verweigert.
Arbeitgeber bot Arbeitnehmern Impfung gegen Influenza an
Der Kläger war als gastronomischer Leiter für eine Gesellschaft tätig, die verschiedene Gastronomiebetriebe unterhielt, unter anderem die Küche eines Krankenhauses. Der Krankenhausträger, dem das Gastronomieunternehmen als Tochtergesellschaft angegliedert war, stellte den Krankenhausmitarbeitern kostenlos Impfstoff gegen Influenza zur Verfügung und empfahl die Impfung insbesondere Mitarbeitern mit Patientenkontakt. Der Krankenhausträger stellte gleichzeitig klar, dass die Teilnahme an der Impfung freiwillig und nicht Voraussetzung für eine Weiterbeschäftigung ist. Der spätere Kläger ließ sich im Rahmen dieser betrieblichen Maßnahme impfen.
Folgeerkrankung des Arbeitnehmers Jahre später
Jahre später entwickelte sich beim Kläger ein sogenannter autoinflammatorischer Prozess in Form von Fieberschüben, Hautausschlägen, Gelenk- und Kopfschmerzen. Der Kläger führte die Erkrankung auf die Impfung zurück und forderte Entschädigungsleistungen von der Berufsgenossenschaft. Diese lehnte ab. Die darauf erhobene Klage des Arbeitnehmers vor dem SG war erfolglos, ebenso die gegen die Klageabweisung eingelegte Berufung.
Folgeerkrankung ist kein Arbeitsunfall
Das LSG wertete die Erkrankung des Klägers nicht als Arbeitsunfall. Nach Auffassung des Gerichts ist auch dann, wenn man einen Kausalzusammenhang zwischen Impfung und der späteren Erkrankung des Klägers unterstellt, ein Anspruch gegen die gesetzliche Unfallversicherung abzulehnen. Dies folge daraus, dass
- die Teilnahme an der Grippeschutzimpfung freiwillig war und
- nicht einer objektiv bestehenden Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis diente.
- Weder aus einem Tarif- noch aus dem Arbeitsvertrag sei der Kläger verpflichtet gewesen, an der Impfung teilzunehmen,
- auch habe keine verpflichtende Weisung des Arbeitgebers im Rahmen von dessen Direktionsrecht vorgelegen.
Impfung diente dem persönlichen Gesundheitsinteresse des Arbeitnehmers
Auch dann, wenn der Kläger die subjektive Vorstellung hatte, mit der Impfung auch den Interessen des Arbeitgebers zu dienen, so hat die Impfung nach Auffassung des LSG objektiv im Wesentlichen den persönlichen gesundheitlichen Interessen des Klägers gedient, zumal der Kläger nicht zu den Beschäftigten gehörte, die unmittelbar körperlichen Kontakt zu Patienten des Krankenhauses hatten. Die Grippeschutzimpfung sei aus Arbeitgebersicht auch nicht erforderlich gewesen, um die Aufrechterhaltung des Krankenhausbetriebes sicherzustellen.
Schadensersatzklage abgewiesen
Mit dieser Argumentation lehnte das LSG eine Entschädigungspflicht der Berufsgenossenschaft ab. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
(LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 6.9.2021, I 2 U 159/20)
Hintergrund
Die Entscheidung des LSG entspricht einer älteren Entscheidung des BSG, das die Anerkennung einer Impffolgeerkrankung als Arbeitsunfall ebenfalls davon abhängig gemacht hat, ob die betrieblich durchgeführte Impfung eher der persönlichen Gesundheitsvorsorge des Arbeitnehmers oder den Interessen des Arbeitgebers diente (BSG, Urteil v. 31.1.1974, 2 RU 277/73).
Impfung gegen Schweinegrippe im Interesse des Arbeitgebers
Im Jahr 2013 hat das SG Mainz im Falle der Erkrankung einer Kinderkrankenschwester nach einer betrieblich durchgeführten Schweinegrippeimpfung dieser einen Entschädigungsanspruch zugesprochen. Das SG hatte die Impfung gegen Schweinegrippe nicht als Maßnahme bewertet, die im Wesentlichen der persönlichen Gesundheitsvorsorge der Krankenschwester und damit ihrem persönlichen Lebensbereich zuzurechnen sei, vielmehr sei die Impfung im Interesse des Arbeitgebers erfolgt. Zum Zeitpunkt der Impfung grassierte das Schweinegrippe-Virus, worauf der Krankenhausträger seinen Mitarbeitern die Impfung dringend empfohlen hat. Darüber hinaus hatte das RKI eine ausdrückliche Impfempfehlung für Beschäftigte im Gesundheitsdienst ausgesprochen.
SG Mainz erkannte Impffolgeerkrankung als Arbeitsunfall an
Das SG ging deshalb davon aus, dass für die Kinderkrankenschwester insofern ein besonderes berufliches Risiko bestanden hat und deshalb einen sachlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit als Kinderkrankenschwester und der Impfung bejaht. Der Arbeitgeber habe ein erkennbares Interesse daran gehabt, dass die Mitarbeiter sich impfen lassen, da dies der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Krankenhausbetriebes diente (SG Mainz, Urteil v. 21.3.2021, S 10 U 48/11).
Staatliche Entschädigung bei Impfschäden
Der vom LSG Rheinland-Pfalz entschiedene Fall hat nichts mit möglichen Entschädigungsansprüchen nach sogenannten Impfschäden nach § 2 Nr. 11 IfSG, z. B. infolge einer Impfung gegen den Erreger des SARS-CoV-19-Virus, zu tun. Wer infolge einer Coronaschutzimpfung, die von den staatlichen Organen der Bundesrepublik Deutschland dringend empfohlen wird, einen gesundheitlichen Schaden erleidet, hat gemäß § 60 IfSG aus dem Gesichtspunkt der Aufopferung Anspruch auf Entschädigung. Zu den Entschädigungsleistungen sind nach dem BVG die Bundesländer verpflichtet. Zu den Entschädigungsleistungen können gehören
- eine monatliche Grundrente,
- ein Berufsschadensausgleich (Verdienstausfall)
- sowie diverse Zulagen.
Der Geschädigte muss allerdings darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass der eingetretene Gesundheitsschaden mit Wahrscheinlichkeit auf die erhaltene Impfung zurückzuführen ist.
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