Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH. Bestellung durch Gesellschafterbeschluss. fehlende Eintragung ins Handelsregister. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Zur statusrechtlichen Beurteilung eines nicht in das Handelsregister eingetragenen Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH.
2. Nach dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlich relevanter Sachverhalte darf sich der prüfende Sozialversicherungsträger bei seiner Entscheidung auf die (negative) Publizität des Handelsregisters stützen, auch wenn dieses von der materiellen Rechtslage abweicht.
3. Dies gilt auch, soweit der Eintragung in das Handelsregister lediglich deklaratorischer Charakter zukommt (hier: Eintragung des Geschäftsführers einer GmbH nach § 39 GmbH-Gesetz (juris: GmbHG)).
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 20. September 2021 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hatte die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf Euro 42.523 festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Pflicht der Klägerin zu Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen i.H.v. Euro 42.523,02 aufgrund der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin.
Die Klägerin wurde am 22.03.2010 in Rechtsform einer GmbH durch die je zur Hälfte mit einer Einlage von jeweils 12.500 € beteiligten Gesellschafter S M und H M gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist das Fondsmanagement und die Vermittlung von Investments, Versicherungen und Bausparverträgen. Nach § 6 der unverändert fortbestehenden Satzung können ein oder auch mehrere Geschäftsführer bestellt werden. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich oder einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten. Die Gesellschafterversammlung kann bei Vorhandensein mehrerer Geschäftsführer einzelnen von ihnen Einzelvertretungsbefugnis erteilen. Nach § 11 Nr. 4 steht je 1 EURO eines Geschäftsanteils eine Stimme zu, nach § 11 Nr. 9 der Satzung werden Beschlüsse, soweit Gesetz und Satzung keine größere Mehrheit vorsehen, mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst.
Mit notarieller Gründungsurkunde vom 22.03.2010 war S M - neben ihrem Ehemann H M - zur alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführerin unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB bestellt und in dieser Funktion in das Handelsregister eingetragen worden. Nach dem Tode von H M rückte zunächst dessen Erbe D M als Gesellschafter nach. Zum 24.11.2014 übernahm der Beigeladene zu 1) (im Weiteren: Beigeladener) dessen Gesellschaftsanteil von 50 %. Mit Gesellschafterbeschluss vom 17.12.2014 wurde der Beigeladene mit Wirkung vom 01.01.2015 neben seiner Schwester S M zum ebenfalls alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt. Die Bestellung wurde erst im Jahr 2019 in das Handelsregister eingetragen.
Der Tätigkeit des Beigeladenen liegt ein am 30.12.2014 unterzeichneter Geschäftsführer-Anstellungsvertrag zu Grunde, nach welchem die Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages, einer etwaigen Geschäftsordnung für die Geschäftsführung und der Gesellschafterbeschlüsse zu führen sind. Der Vertrag enthält weiter Regelungen zu einer festen Jahresvergütung mit monatlicher Auszahlung, welche entsprechend der Leistungen des Beigeladenen und der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft angepasst wird, mindestens aber um den Prozentsatz, um den im Durchschnitt die Gehälter der übrigen Angestellten der Gesellschaft in dem betreffenden Jahr angepasst werden. Weiter finden sich Regelungen zu Nebentätigkeiten, zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (6 Monate) und zum Urlaubsanspruch (30 Tage).
In der Zeit von 04.02.2019 bis 04.05.2020 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum 2015 bis 2018 durch. Nach Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 04.05.2020 fest, dass das vom Beigeladenen von 01.01.2015 bis 30.04.2015, von 01.07.2015 bis 31.10.2015, von 01.01.2016 bis 30.11.2016 und von 01.01.2017 bis 30.11.2017 bezogene Entgelt - in der restlichen Zeit bestand ein wirksam vereinbarter Entgeltverzicht - der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen habe. Es wurde eine Beitragsnachforderung in Höhe von 42.523,02 € erhoben. Der Beigeladene habe in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bis zu seiner Eintragung in das Handelsregister in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Mitarbeitende Gesellschafter einer GmbH seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur dann als selbstständig zu betrachten, wenn Ihnen aufgrund ihrer Gesellschaftsanteile (in der Regel mehr als 50 %) Leitungsbefugnis gege...