Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass von Beitragsforderungen. keine Unbilligkeit einer Einziehung bei wissentlicher Inkaufnahme einer fehlenden Leistungsfähigkeit
Orientierungssatz
Es ist keine Unbilligkeit iS von § 76 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 4 zu erkennen, wenn der Versicherte selbstbestimmt ein Studium aufgenommen und es daher selbst in der Hand hatte, wie viel er monatlich hinzuverdient zur Bezahlung eines Beitrages zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Normenkette
SGB IV § 76 Abs. 2 S. 1 Nr. 3; SGB V §§ 227, 240 Abs. 4 S. 1
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 21. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Erlass seiner Beitragsschulden in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.
Der Kläger, geb. 1970, ist seit dem 1.5.2009 bei der Beklagten freiwillig versichertes Mitglied. Bereits mit Schreiben vom 28.7.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm seine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erlassen. Nach Arbeitslosigkeit und Bezug von SGB II-Leistungen habe er mit dem Studium für das Lehramt Hauptschule begonnen. Seinen einzigen Einkünfte erhalte er aus einem 400 Euro-Job bei M. Sein Konto sei bereits gepfändet. Auch die Eidesstattliche Versicherung habe er bereits abgegeben. Der Kläger beantragte, ihn für die Dauer seines Studiums von den Beiträgen freizustellen. Die Eidesstattliche Versicherung wurde bereits am 23.4.2008 abgegeben.
Mit Schreiben an den Kläger vom 5.8.2009 teilte die Beklagte mit, ein Erlass bzw. eine Niederschlagung der Beiträge sei aufgrund der gesetzlichen Vorgabe nicht möglich. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Mit Zahlungserinnerung vom 21.8.2009 forderte die Beklagte an rückständigen Beiträgen für die Monate Mai bis Juli 2009, einschließlich Nebenkosten und Säumniszuschlägen bereits eine Summe von 448,08 Euro (Monatsbeitrag 141,54 Euro - Kranken- und Pflegeversicherung). Mit Schreiben vom 8.9.2009 drohte die Beklagte das Ruhen von Leistungsansprüchen an. Am 2.11.2009 erfolgte durch die Vollziehungsbeamtin der Beklagten ein erfolgloser Pfändungsversuch. Mit Schreiben an den Kläger vom 9.12.2009 teilte die Beklagte mit, nach dem erfolglosen Pfändungsversuch seien die bis zum 30.9.2009 angefallenen Beiträge befristet niedergeschlagen worden. Den vom Kläger aufrecht erhaltenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.1.2010 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, die Entscheidung über den Erlass von Beiträgen stehe in ihrem Ermessen. Allein eine erhebliche wirtschaftliche Belastung oder eine fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit genügten nicht. Erforderlich seien eine dauerhafte Gefährdung des notwendigen Lebensunterhalts. Der Kläger habe sich wissentlich mit Aufnahme seines Studiums in eine neue finanzielle Situation begeben und wissentlich in Kauf genommen, dass fällige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht geleistet werden können. Im Interesse der Versichertengemeinschaft wiege das Festhalten an der Forderung schwerer als das Einzelinteresse des Klägers an einem Forderungsverzicht.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag auf Erlass der Beiträge ab Mai 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Mit Urteil vom 21.10.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, das Sozialgesetzbuch enthalte keine Rechtsgrundlage, laufende Beiträge für die gesamte Zeit des Studiums des Klägers zu erlassen. Der Erlass von künftig erst fällig werdenden Beiträgen sei nicht möglich. Erlassen werden könnten nur bereits bestehende Ansprüche. Im Übrigen könne der Kläger weder einen Erlass noch eine weitere Niederschlagung erwarten, solange er nicht seine Einkommensverhältnisse offen lege.
Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und vorgetragen, es gehe um einen sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Der Kläger habe sich freiwillig versichert, weil er von der Beklagten in dem Irrglauben gehalten worden sei, er sei sonst unversichert, obwohl er doch nach der gesetzlichen Neuregelung zum 1.4.2007 pflichtversichert gewesen wäre. Zum anderen gehe es um eine verfassungskonforme Auslegung des § 227 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) im Hinblick auf die entsprechende Anwendbarkeit des § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 21.10.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 5.8.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.1.2010 zu verurteilen, über seinen Antrag auf Erlass vom 28.7.2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurüc...