Nachgehend

BSG (Beschluss vom 22.03.2018; Aktenzeichen B 12 KR 12/17 C)

BSG (Beschluss vom 03.04.2017; Aktenzeichen B 12 KR 92/16 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt den Erlass, hilfsweise die Stundung und Niederschlagung, von Beitragsforderungen der Beklagten sowie die Rückzahlung von geleisteten Beiträgen für die Zeit seit dem 01.08.2013.

Die Klägerin ist seit dem 01.10.1999 als Studentin bei der Beklagten freiwillig krankenversichert. Sie ist gegenwärtig an der Universität im Fach Rechtswissenschaften immatrikuliert. Seit Dezember 2014 ist die Klägerin in einer Drogerie mit einem monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von 886,00 Euro beschäftigt.

Seit dem 01.08.2013 berechnet die Beklagte die zu entrichtenden Beiträge der Klägerin nach der gesetzlichen Mindestbemessungsgrundlage von 921,67 Euro. Offene Beitragsforderungen bestehen gegenwärtig nicht. Die Klägerin ist ihren Zahlungspflichten gegenüber der Beklagten stets nachgekommen.

Mit Schreiben vom 10.11.2013 stellte sie gegenüber der Beklagten den Antrag auf Erlass der Beitragsansprüche, hilfsweise auf unbefristete Niederschlagung sowie auf Rückzahlung bereits entrichteter Beiträge ab August 2013. Zur Begründung führte sie aus, dass sie seit August 2013 ihren Lebensunterhalt durch die Überziehung ihres Kontos und damit durch Nutzung eines Dispositionskredites sicherstelle. Seit Mai 2013 erhalte sie von ihrem Vater keinen Unterhalt mehr. Bis Juli 2013 habe ihr ihre Mutter übergangsweise ausgeholfen. Die Suche nach einer Arbeitsstelle, die sie neben ihrem Studium zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes ausüben könne, habe bisher keinen Erfolg gezeigt. Seit August 2013 verfüge sie über kein Einkommen mehr. Sie bitte deshalb um Rückzahlung der seitdem gezahlten Beiträge sowie um Erlass der Beiträge mit sofortiger Wirkung und für die Zukunft bis sich die Situation geändert habe. Jedoch werde auch mit einer Arbeitsstelle neben dem Studium kaum die Grenze erreicht, die eine Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge ermöglichen werde. Das heißt, ihre prekäre Situation werde sich bis zum Ende des Studiums voraussichtlich nicht ändern. Die Einziehung der Beiträge sei unbillig, da zurzeit kein anrechenbares Einkommen zur Verfügung stehe. Die Bedarfsgrenze im Sinne des Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für eine Alleinstehende sei bei ihr nicht gesichert. Es liege ein persönlicher Härtefall vor. Die Erfüllung der Beitragsforderungen sei unzumutbar und existenzbedrohend. Die Niederschlagung sei wegen der Erfolglosigkeit einer zwangsweisen Einziehung vorzunehmen.

Mit Bescheid vom 18.11.2013 lehnte die Beklagte einen Erlass der Beiträge ab. Nach dem Beitragsschuldengesetz sei dies nur möglich, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung keine andere Absicherung im Krankheitsfalle bestehe. Dies sei vorliegend nicht gegeben.

Hiergegen legte die Klägerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26.11.2013 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine Ermessensausübung nach Maßgabe des § 76 Abs. 2 Nr. 2 und 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) nicht erfolgt sei. Die Einziehung der Forderung sei aus besonderen Gründen unbillig. Die persönlichen Verhältnisse der Klägerin erlaubten keine Erfüllung der Beitragsforderungen. Das Einkommen sei so gering, dass sie deutlich unterhalb des Betrages liege, den der Gesetzgeber für das Existenzminimum vorsehe. Die Ablehnung verletze das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 Abs. 1 GG, wie es im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 09.02.2010 (Az.: 1 BvL 1/09) näher bestimmt worden sei. Diesbezüglich sei insbesondere § 850 c Zivilprozessordnung (ZPO) zu beachten, der das pfändungsfreie Einkommen danach bestimme, dass dem Schuldner das Existenzminimum erhalten bleibe. Die Einziehung der Forderung sei existenzbedrohend. Es liege auch keine nur vorübergehende Gefährdung vor. Denn die Klägerin sei auf Grund ihres Studiums auf unabsehbare Zeit nicht in der Lage, das Einkommen über das Existenzminimum zu erhöhen. Daneben sei der Erlass wegen einer sachlichen Unbilligkeit gerechtfertigt, die sich daraus ergebe, dass die Erfüllung durch die Versicherungspflicht provoziert sei. Der Staat habe die Versicherungsbeiträge durch eine entsprechende Ersatzleistung sicherzustellen. Er habe die Versicherungspflicht für alle angeordnet. Als Studentin habe die Klägerin aber keine Ansprüche nach dem SGB II oder dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), die ersatzweise für die Beiträge eintreten könnten. Diese gesetzliche Lücke sei zu Gunsten der Klägerin zur Wahrung des Existenzminimums von 1.500,00 Euro zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung der allgemeinen Versicherungspflicht nicht im Sinn gehabt, das Existenzminimum zu gefährden. Die Niederschlagung sei wegen der Erfolglosigkeit der voraussichtlichen Einziehung vorzunehmen, di...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge