Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 2 S 1 SGB 7 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7. Wie-Beschäftigter. arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. eigenwirtschaftliches Interesse. Mitwirkung des Kfz-Halters bei Starthilfe durch Werkstattinhaber. sozialgerichtliches Verfahren. keine Rechtsmitteleinlegung eines Streitgenossen von mehreren notwendigen Streitgenossen. Rechtsstellung. Beteiligung am Rechtsstreit
Leitsatz (amtlich)
1. Der Kunde einer Kfz Werkstatt, der auf Geheiß des Starthilfe leistenden Inhabers der Kfz-Werkstatt sein eigenes Auto anlässt, wird nicht wie ein Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs 2 S 1 SGB 7 tätig.
2. Legt einer von mehreren notwendigen Streitgenossen kein Rechtsmittel ein, so ist er zu dem Verfahren betreffend das Rechtsmittel der übrigen Streitgenossen hinzuzuziehen, allerdings nicht als Rechtsmittelführer, sondern in abhängiger Parteistellung (vgl RG vom 31.1.1938 - V 105/37 = RGZ 157, 33; vgl BSG vom 30.7.1971 - 2 RU 241/68 = BSGE 33, 99 = SozR Nr 7 zu § 62 ZPO).
Orientierungssatz
Würde man die Kunden von Unternehmen aufgrund jeglicher Handlungen, die sie auf Geheiß der Unternehmen in Abwicklung von Geschäften mit diesen vornehmen, als Wie-Beschäftigte dieser Unternehmen einstufen, so würde dies zu einer weitgehenden und völlig unvorhersehbaren Ausweitung des Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Unfallversicherung führen. Gleichzeitig würde auch die Haftungsbeschränkung der Unternehmer nach § 104 SGB 7 auf das Verhältnis zwischen den Unternehmen und ihren Kunden ausgedehnt werden, für das sie nach ihrem Sinn und Zweck, den Betriebsfrieden aufrecht zu erhalten, in keiner Weise ausgerichtet ist. Auch aus Sicht der Kunden wäre es nicht interessengerecht, wenn sie aufgrund geringfügiger Mitwirkungshandlungen bei der Abwicklung ihrer Vertragsbeziehung ihrer vertraglichen und deliktischen Schadensersatzansprüche gegen den Unternehmer über das Haftungsprivileg des § 104 SGB 7 beraubt würden.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 14.03.2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger zu 3 im Hinblick auf seinen Unfall vom 05.06.2009 gemäß § 105 Abs. 2 S. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) wie ein Versicherter zu behandeln ist, der einen Versicherungsfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung erlitten hat.
Der 1954 geborene Kläger zu 3 betrieb im Zeitpunkt des Unfalls als selbstständiger Unternehmer eine Autowerkstatt, die sich auf die Reparatur von älteren Automodellen spezialisiert hatte. Es bestand weder eine Versicherung für Unternehmer kraft Satzung nach § 3 SGB VII, noch war der Kläger zu 3 freiwillig versichert nach § 6 SGB VII. Der Kläger zu 1 hatte beim Kläger zu 3 die Reparatur eines älteren Porsche-Modells in Auftrag gegeben. Am 05.06.2009 holte er seinen Porsche bei der Werkstatt des Klägers zu 3 ab. Als er auf dem Heimweg getankt hatte, sprang der Porsche nicht mehr an. Der Kläger zu 1 rief den Kläger zu 3 an, der sich sofort auf den Weg zur Tankstelle machte und dem Kläger zu 1 dort Starthilfe leistete. Der Kläger zu 1 saß im Wagen, um die Zündung zu betätigen und das notwendige Gas zu geben, während der Kläger zu 3 bei geöffneter Motorhaube vor dem Wagen stand und dort arbeitete. Plötzlich geriet der Fuß des Klägers zu 1 bei eingelegtem Gang von der Kupplung und der Wagen machte einen Satz von circa 1 m nach vorne. Die Stoßstange traf das linke Schienbein des Klägers zu 3 unterhalb des Knies. Der Kläger zu 3 erlitt eine Tibiakopffraktur links, die operativ versorgt werden musste. Der Heilungsverlauf gestaltete sich kompliziert, da sich ein Morbus Sudeck anschloss.
Der Kläger zu 3 verfolgte seine Schadensersatzforderung gegen den Kläger zu 1 und dessen Kfz-Haftpflichtversicherer, den Kläger zu 2, vor dem Landgericht A-Stadt I. Dort teilte die Kammer in der öffentlichen Sitzung vom 30.07.2010 mit, dass die Klageforderung wegen des Haftungsprivilegs nach § 105 SGB VII nicht aussichtsreich sei.
Mit Schreiben vom 19.08.2010 zeigte der Kläger zu 3 der Beklagten den Unfall an und bat um Feststellung, ob dieser einen Arbeitsunfall darstelle oder nicht. Auf die Auffassung des Landgerichts A-Stadt I und die Bedeutung der Feststellung für diesen Prozess wurde hingewiesen. Mit Beschluss vom 19.10.2010 setzte das Landgericht A-Stadt I die Verhandlung bis zur Erledigung des sozialgerichtlichen Verfahrens aus.
Mit Bescheid vom 18.11.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen anlässlich des Ereignisses vom 05.06.2009 ab. Der Bescheid war an den Kläger zu 3 adressiert. Einen Abdruck dieses Bescheides erhielt der Kläger zu 1 zur Kenntnisnahme.
Gegen diesen Bescheid legten der Kläger zu 3 am 27.12.2010 und der Kläger zu 2 als Kraftfahrt-Haftpflichtversicherer des Klägers zu 1 am 27.12.2010 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2011 wies die ...