Leitsatz (amtlich)

Zu den medizinischen Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung.

 

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 29. Mai 2009 und unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 12. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. September 2007 sowie unter Abänderung des Bescheids vom 21. September 2009 verurteilt, der Klägerin ab März 2008 die gesetzlichen Leistungen wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

III. Die Beklagte hat 4/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung für den Zeitraum 1. Juni 2007 bis 31. August 2008 sowie für die Zeit über den 31. Mai 2012 hinaus auf Dauer.

Die 1959 geborene Klägerin hat von September 1975 bis August 1976 den Beruf der städtischen Hauswirtschafterin erlernt. Von Oktober 1976 bis März 1980 hat sie eine Fachschulausbildung zur ländlichen Hauswirtschafterin, von März 2003 bis April 2004 eine Ausbildung zur Agrarbürofachfrau erfolgreich absolviert. In den erlernten Berufen war die Klägerin jedoch nie tätig. Seit 1976 hat sie ihre schwerkranke Mutter bis zu deren Tod im Mai 2002 sowie bis Juli 2004 den Vater gepflegt. Zuletzt war die Klägerin von Juni 2002 bis November 2004 als Gartenbauhelferin versicherungspflichtig auf 400 EUR - Basis beschäftigt.

Die Klägerin begehrte mit Antrag vom 16. September 2004 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie mit Antrag vom 12. November 2004 Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Die Beklagte holte ein psychiatrisches Gutachten von Fr. Dr. W. vom 17. Januar 2005 ein. Diese stellte bei der Klägerin eine mittelgradige depressive Episode, eine Agoraphobie, einen medikamentös behandelten hohen Blutdruck sowie leichte neurologische Auffälligkeiten mit möglichem Hinweis auf eine frühkindliche Hirnschädigung fest. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme sei indiziert.

Die Beklagte bewilligte daraufhin der Klägerin eine stationäre Maßnahme der medizinischen Rehabilitation, die vom 15. März 2005 bis 19. April 2005 in der Klinik M., Bad S., durchgeführt wurde. Hier wurden eine mittelgradige depressive Episode, arterielle Hypertonie, ein chronisch rezidivierendes LWS- Syndrom, ein Verdacht auf ein Zervicobrachialsyndrom beidseits sowie eine Hyperlipidämie gemischt festgestellt. Die Klägerin sei als Gartenbauhelferin sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch unter drei Stunden täglich leistungsfähig. Aufgrund der weiter bestehenden depressiven Symptomatik und der bestehenden Persönlichkeitsstörung habe die Klägerin die belastenden äußeren Lebensereignisse (aktuelle Konflikte mit der Herkunftsfamilie nach dem Tod des Vaters) innerhalb der letzten zwei Jahre nicht ausreichend verarbeiten können. Das Denken der Klägerin sei weitgehend auf die Klärung der familiären Konflikte eingeengt. Dadurch besitze die Klägerin nicht die ausreichende Fähigkeit, sich auf eine Tätigkeit zu konzentrieren. Die Beklagte gewährte daraufhin der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. Mai 2005 bis 31. Mai 2007.

Auf den Weitergewährungsantrag der Klägerin vom 24. November 2006 hin holte die Beklagte erneut ein psychiatrisches Gutachten von Fr. Dr. W. vom 26. März 2007 ein. Die Sachverständige diagnostizierte bei der Klägerin eine mittelgradige depressive Episode, eine Minderbelastbarkeit der Lendenwirbelsäule mit wiederkehrendem Schmerzsyndrom bei vorgeschriebenem Lendenwirbelsäulenbandscheibenverschleiß, zum Untersuchungszeitpunkt mit leichtgradiger Bewegungseinschränkung und ohne neurologische Funktionsbeeinträchtigungen, einen medikamentös behandelten hohen Blutdruck, wiederkehrende Nackenschmerzen, zum Untersuchungszeitpunkt ohne wesentliche Beweglichkeitseinschränkung und ohne neurologische Funktionsbeeinträchtigungen sowie Übergewicht. Der Allgemeinzustand der Klägerin sei gut. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule sei nur leichtgradig eingeschränkt. Hinweise für Nervenwurzelausfälle lägen nicht vor. Im neurologischen Befund lägen Zeichen einer erhöhten vegetativen Erregbarkeit vor, jedoch ohne funktionell relevante Auffälligkeiten. Die Stimmungslage sei wechselhaft gewesen, die emotionale Schwingungsbreite nur etwas eingeengt, die kognitiven Funktionen leicht beeinträchtigt. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien der Klägerin damit noch leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr mit bestimmten qualitativen Einschränkungen möglich.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit angefochtenem Bescheid vom 12. April 2007 den Weitergewährungsanspruch ab. Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs legte die Klägerin ein Attest der behandelnden Neurologin und Psychiaterin Dr. D. vor. Hierin wird auf eine m...

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